GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
81
abgeordneten, wirken bei der Besetzung der Gerich
te zusammen.» 203 204 205 206 207 208 209 210 211
«Zu Verhandlungen von längerer Dauer» konn
ten vom Vorsitzenden eines kollegialen Gerichtes
Ergänzungsrichter zugezogen werden, die an der
Verhandlung teilnahmen und «im Falle der Verhin
derung eines Richters einzutreten» hatten. «Wie bei
kollegialen Gerichten zur Beurteilung einer Rechts
sache Berufskenntnisse (aus der Landwirtschaft,
dem Gewerbe, Handel, den Arbeitsverhältnissen
oder dem Erziehungswesen) wünschbar» waren,
sollte «der Vorsitzende im Einvernehmen mit den
ständigen Richtern an Stelle eines der gewählten,
sonst regelmässig amtierenden Richters, sofern
nicht einem solchen Richter diese Berufskenntnisse
zukommen, einen hiezu geeigneten Ersatzrichter
einberufen, der dann alle auf die betreffende Ge
richtssession angesetzten Fälle mitentscheidet!» 212
Anpassungen in der Strafprozessordnung
Auch die Strafprozessordnung wurde den Vorschrif
ten der Verfassung von 1921 angepasst und im Kri
minalgerichtskollegium die Laienmehrheit durch
drei Kriminalrichter gegenüber zwei rechtskundi
gen Richtern statuiert. Der erforderliche Beizug von
Gerichtszeugen blieb gleich geregelt wie bis anhin.
An ein besonderes Auswahl- und Bestellungsver
fahren für die Gerichtszeugen, wie es mit der Straf
prozessnovelle von 1881 eingeführt worden war,
war nicht mehr gedacht. In der Schlussverhandlung
fand keine Auslosung der Schöffen mehr statt, son
dern es nahmen an der Verhandlung die gemäss Ge
richtsorganisationsgesetz bestimmten Laienrichter
teil. 213
Richterwahlen
Am 26. April 1922 nahm der Landtag erstmals auf
Grund der neu geschaffenen Rechtsordnung die
Richterwahlen vor. 214 In den Kriminalgerichtshof
wurden drei liechtensteinische Laienrichter und als
rechtskundige Mitglieder ein Schweizer als Präsi
dent, ein Österreicher als dessen Stellvertreter und
der Landrichter gewählt. Als Ersatzrichter wurden
ein rechtskundiger Österreicher und zwei liechten
steinische Laien gewählt. Vorsitzender des Schöf
fengerichts wurde der Landrichter, sein Stellvertre
ter der als rechtskundiger Ersatzrichter für das Kri
minalgericht gewählte Österreicher. Die beiden als
Ersatzrichter für das Kriminalgericht gewählten
liechtensteinischen Laien wurden als Richter ins
Schöffengericht gewählt und zu Ersatzrichtern für
das Schöffengericht die «übrigen Richter vom Kri
minalgericht» bestimmt. Das Obergericht wurde mit
einem rechtskundigen Österreicher als Vorsitzen
dem, einem rechtskundigen Schweizer als dessen
Stellvertreter und je zwei Liechtensteiner Laien als
Richtern resp. Ersatzrichtern bestellt. Als Mitglieder
des Obersten Gerichtshofs wurden neben je vier
liechtensteinischen Laien als Richter resp. Ersatz
richter ein rechtskundiger Schweizer 215 als Vorsit
zender und ein rechtskundiger Österreicher als des
sen Stellvertreter gewählt. In die Verwaltungsbe
schwerdeinstanz wählte der Landtag rechtskundige
203) Ebenda, § 2 Abs. 6.
204) Ebenda, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1.
205) Ebenda, § 1 Abs. 2, § 4 und § 21.
206) Gesetz vom 12. Juli 1934 betreffend die Abänderung des
Gerichts-Organisationsgesetzes vom 7. April 1922 (LGB1. 1934,
Nr. 8), Art 1.
207) Gerichtsorganisations-Gesetz vom 7. April 1922 (LGB1. 1922,
Nr. 16), § 1 Abs. 2, § 2, § 5.
208) Gesetz vom 28. November 1972 über die Abänderung des
Gerichtsorganisationsgesetzes (LGB1. 1973, Nr. 1), Art. 2.
209) Gesetz vom 18. April 2002 über die Abänderung des Gerichts
organisationsgesetzes (LGB1. 2002, Nr. 70).
210) Oehry, Fürst und Volk, S. 146.
211) Ebenda.
212) Gerichtsorganisations-Gesetz vom 7. April 1922 (LGB1. 1922,
Nr. 16), § 7.
213) Gesetz vom 7. April 1922 betreffend Abänderung der Strafpro
zessordnung vom 31. Dezember 1913 (LGB1. 1922, Nr. 17), § 169,
§181 und 182.
214) LLA Landtagsprotokoll vom 26. April 1922.
215) Es handelte sich dabei um Dr. Emil Beck, den liechtensteini
schen Gesandten in Bern, der schweizerisch-liechtensteinischer
Doppelbürger war.