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Gerichten die Mehrheit der Richter und Ersatzrich
ter liechtensteinische Staatsbürger sein mussten. 203
In bürgerlichen Rechtssachen hatte in erster In
stanz das Landgericht durch Einzelrichter zu ent
scheiden. 204 In Strafsachen war im Verfahren wegen
Übertretungen ebenfalls eine Einzelrichterbeset
zung vorgesehen, bei strengeren Strafandrohungen
war jedoch schon in erster Instanz ein Kollegium zu
ständig, im Verfahren wegen Vergehen in Form des
Schöffengerichts, im Verfahren wegen Verbrechen
in Form des Kriminalgerichts. Das Schöffengericht
bestand aus einem Dreiersenat, dem Landrichter
als Vorsitzenden und zwei Schöffen sowie drei Er
satzschöffen, das Kriminalgericht aus einem Fün
fersenat, bestehend aus einem Präsidenten, einem
Stellvertreter, dem Landrichter, drei weiteren Krimi
nalrichtern und zwei Ersatzrichtern. Der Präsident,
dessen Stellvertreter und die weiteren drei Krimi
nalrichter wurden vom Landtag gewählt. Die drei
Kriminalrichter wurden aus den Schöffen bzw. Er
satzschöffen entnommen. Die anderen Schöffen
bzw. Ersatzschöffen waren Ersatzrichter der Krimi
nalrichter. Jeder wahlfähige Bürger war verpflich
tet, eine auf ihn fallende Wahl als Richter anzuneh
men. Das «Amt eines Kriminal- und Schöffenrich
ters» wurde «daher als ein Amt angesehen». 205
Das Obergericht als zweite Instanz hatte sowohl
in Zivil- als auch Strafsachen bis 1934 206 in einem
Dreiersenat, danach in einem Fünfersenat zu ent
scheiden, der Oberste Gerichtshof als dritte Instanz
entschied in einem Fünfersenat. Für das Oberge
richt wurden, einvernehmlich mit dem Landtag und
auf dessen Vorschlag vom Landesfürsten ein Vorsit
zender, dessen Stellvertreter, sowie vier Oberrichter
nebst ebenso vielen Ersatzrichtern auf die Dauer
von vier Jahren ernannt. Je einer von den Oberrich
tern und den Ersatzrichtern musste rechtskundig
sein. Bei der Auswahl der Oberrichter und der Er
satzrichter war «darauf Bedacht zu nehmen, dass
die beiden Landschaften und gleichzeitig der Stand
der Bauern, Gewerbetreibenden, Arbeiter, der Kauf
leute und der Erzieher vertreten sind». Die Mitglie
der des Obersten Gerichtshofs (Präsident, sein Stell
vertreter, vier Richter und vier Ersatzrichter) wur
den in gleicher Weise wie für das Obergericht be
stellt. Der Landtag übte sein Vorschlagsrecht in
Form der geheimen Wahl mit absolutem Mehr aus.
Dabei war zu beachten, dass mindestens die Mehr
heit der Richter und Ersatzrichter Staatsbürger sein
mussten. 207 Die Geschäfte des Obergerichts wurden
1973 auf zwei 208 , 2002 auf drei Senate 209 von jeweils
fünf Richtern verteilt.
Richterbestellung
Hinsichtlich der Richterbestellung wurde für bür
gerliche Rechtssachen und Strafsachen eine unter
schiedliche Regelung getroffen. Zur Bestellung der
in bürgerlichen Rechtssachen tätig werdenden
Richter aller drei Instanzen war das Zusammenwir
ken von Fürst und Volk erforderlich. Das Recht zur
Wahl der Richter lag beim Landtag, das Recht zu de
ren Ernennung beim Fürsten. Die Organisation der
Strafgerichte erster Instanz wurde hingegen anders
geregelt. Im Gegensatz zu den Landrichtern und den
Mitgliedern des Obergerichts und des Obersten Ge
richtshofs wurden die Richter des Kriminal- und des
Schöffengerichts, mit Ausnahme des darin von Ge
setzes wegen tätigen Landrichters, vom Landtag ge
wählt. Sie bedurften zu ihrer gesetzmässigen Bestel
lung weder der Ernennung noch einer Bestätigung
durch den Landesfürsten. «Die Durchbrechung des
Prinzips der Mitwirkung von Fürst und Volksvertre
tung zur Richterbestellung bei Kriminal- und Schöf
fengericht zu Gunsten der Alleinbestellung durch
das Parlament» war «die folgerichtige Weiterent
wicklung des seit der Strafprozessnovelle von 1881
bestehenden Rechtes des Landtags, die Laienrichter
(Schöffen) zu wählen.» 210
Im Bestellungsvorgang und in der neu festgeleg
ten Laienmehrheit in den beiden genannten Straf
gerichten kamen die verstärkten Mitwirkungsrechte
des Volkes an der Gerichtsbarkeit deutlich zum Aus
druck. Es gab nun kein liechtensteinisches Gericht
mehr, in dem nicht mindestens ein vom Parlament
gewählter und über dessen Vorschlag vom Fürsten
ernannter Richter Einsitz hatte. Der Grundsatz der
Landesverfassung, wonach die Staatsgewalt im
Fürsten und Volke verankert ist (Art. 2), galt wesent
lich auch für die Gerichtsbarkeit: «Fürst und Volk,
letzteres vertreten durch seine gewählten Landtags