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ERWEITERUNG DER VOLKSRECHTE UND
DER LAIENBETEILIGUNG AN DER GERICHTS
BARKEIT DURCH DIE VERFASSUNG VON 1921 167
Die durch die Verfassung von 1921 geschaffene
Neuordnung des liechtensteinischen Staatswesens
betraf wesentlich auch die Gerichtsbarkeit. Sie führ
te neben einem Ausbau der politischen Volksrechte
ebenfalls zu einer deutlichen Verstärkung des Lai
enelements in der Gerichtsbarkeit. Schon das 10-
Punkte-Programm der Volkspartei vom 18. Dezem
ber 1918 hatte die Forderung enthalten, «sämtliche
politischen und gerichtlichen Instanzen mit Aus
nahme des Obersten Gerichtshofes ... in das Land
zu verlegen». «Bei der Organisation dieser Behör
den soll unser Kriminalgericht als Vorbild genom
men und also insbesondere neben Berufsrichtern
auch Laienrichter aus dem Lande aufgenommen
werden», hiess es weiter im Programm. 168 Damit
wurde an Reformwünsche angeknüpft, die im Land
tag schon 1880/81, 1906/07 und 1912/13 bei der
Beratung von Strafprozessnovellen geäussert wor
den waren: einerseits die Verlegung der Rekursins
tanz ins Land und andererseits die Laienmehrheit
in den Kollegialgerichten. 169 Im Berufungsverfahren
war es nämlich nach wie vor unmöglich, die Grund
sätze der Öffentlichkeit, Mündlichkeit und Unmittel
barkeit des Verfahrens anzuwenden. Die Urteile
wurden in Wien und Innsbruck auf Grund der einge
sandten Akten gefällt. Und im erstinstanzlichen
Strafverfahren standen die Laienrichter im Krimi
nalgericht in der Minderheit gegenüber den rechts
kundigen Richtern. Eine zumindest numerische
Gleichstellung hatte keine Aufnahme in die Straf
prozessnovelle von 1881 gefunden. Im Programm
der Volkspartei vom 18. Januar 1919 wurde zudem
gefordert, die Verwaltungs- und Beschwerdeinstanz
und die Gerichte «mehrheitlich durch Wahl aus Lan
desbürgern zu bestellen». 170
Beide Forderungen, die Verlegung sämtlicher Be
hörden ins Land und die Mehrheit an liechtensteini
schen Staatsbürgern in den Kollegialgerichten, soll
ten schliesslich in die Verfassung von 1921 aufge
nommen 171 und durch entsprechende Gesetze ver
wirklicht werden. Die Mehrheit an Laienrichtern in
sämtlichen Kollegialgerichten schrieb die Verfas
sung nicht vor, und es gab in der Folge auch nur we
nige gesetzliche Bestimmungen, die eine Laienrich
terbeteiligung zwingend vorsahen. Die rechtliche
Grundlage für Laienrichter in der liechtensteini
schen Rechtssprechung blieb bis heute ziemlich
dürftig. In der Praxis allerdings sollten bis in die jün
gere Vergangenheit in sämtliche Kollegialgerichte
mehrheitlich nicht nur liechtensteinische Staatsbür
ger, sondern auch Laien bestellt werden. 172 Eine we
sentliche Erweiterung der Mitspracherechte des
Volkes bedeutete die in der Verfassung vorgeschrie
bene Wahl der Mitglieder der Rekursinstanzen
durch den Landtag, auf deren Zusammensetzung
das liechtensteinische Volk bis anhin keinerlei Ein
fluss nehmen konnte.
In den Unterlagen von Landtag und Regierung
zur Verfassung von 1921 konnten keine näheren
Hinweise und Begründungen für die vorgenomme
ne Stärkung und Ausweitung des Laienelements in
der liechtensteinischen Gerichtsbarkeit gefunden
werden. 173 Auch die Landtagsprotokolle und Regie
rungsakten zu den entsprechenden Gesetzen von
1922 über die Gerichtsorganisation, die Landesver
waltungspflege und die Änderung der Straf- und
Zivilprozessordnung sowie zur Errichtung des
Staatsgerichtshofes 1925 gaben nicht den gesuch
ten Aufschluss. 174 Einzig der Bericht von Dr. Wil
helm Beck zu diesen von ihm verfassten Gesetzes
entwürfen lieferte einige Informationen zu den Be
weggründen. 175
Im Bericht wurde von Wilhelm Beck zunächst auf
den wesentlichen Verfassungsauftrag verwiesen,
die Berufungsgerichte, Obergericht und Obersten
Gerichtshof, ins Land zu verlegen und damit ihren
«Hauptzweck zu ermöglichen, dass sowohl in Zivil
ais auch in Strafsachen der in unserer Prozessord
nung bereits niedergelegte Grundsatz der Münd
lichkeit und Unmittelbarkeit nicht papierene Wahr
heit sei, sondern in Wirklichkeit angewendet wer
de». Weiter führte Beck aus, «neuere Zivil- und
Strafprozessordnungen der meisten Länder» hätten
diesen Grundsatz verwirklicht, der auch für das Be
rufungsverfahren zu gelten habe. Auch der österrei
chische Gesetzgeber habe ein mündliches Beru-