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setzes von Franz Josef Oehri (1848) hatte in jeder
Gemeinde ein Friedensgericht, bestehend aus Ge
meindevorsteher und vom Landtag bestimmten Mit
gliedern vorgesehen. 158
1884, im Zusammenhang mit der Beratung von
Zusatzbestimmungen zur Strafprozessnovelle von
1881, wurde im Landtag erstmals die Errichtung von
Vermittlerämtern beantragt. Zwar sei zu bedenken,
dass solche Ämter in Österreich nur dem Namen
nach, nicht aber in der Praxis existierten. Vermitt
lerämter könnten jedoch eine wesentliche Erleichte
rung für die Gerichtsverwaltung bringen und «gros
se Ersparnisse an Zeit und Geld für die von der Ge
richtstätte entfernteren Bewohner». Der Antrag
wurde mit acht gegen fünf Stimmen angenom
men. 159
1911 erhielt die zur Beratung der Zivilprozess
ordnung eingesetzte Landtagskommission auch den
Auftrag, «der Frage der Einführung von Vermittler
ämtern besondere Aufmerksamkeit zu widmen».
Man habe in der Schweiz mit den Vermittlerämtern
günstige Erfahrungen gemacht. Statistische Daten
aus dem Kanton Zürich belegten für einen Zeitraum
von 80 Jahren, dass durchschnittlich etwa 60 Pro
zent der Zivilprozessklagen und 70 Prozent der Eh
renbeleidigungsklagen im Vergleichsweg erledigt
worden seien. Ähnliche Resultate seien auch in an
deren Kantonen festgestellt worden. Dem Vermittler
als «allgemeinem Vertrauensmann der Gemeinde»
sollte keine Rechtsprechungskompetenz zugespro
chen werden. In der Schweiz kämen dort, wo der
Vermittler keine eigentlichen Urteile fälle, mehr Ver
gleiche zustande als bei Vermittlern, die ein solches
Recht hätten. Gegensätzlich waren die Meinungen
zur Frage, ob Ortsvorsteher als Vermittler fungieren
sollten. Der Landtag erwartete jedenfalls, «mit Ein
führung dieses wohltätigen Institutes würde bei uns
ein wichtiger Fortschritt geschaffen, das Landge
richt zum Teil entlastet und viele Prozesse vermie
den». 160
Die Landtagskommission einigte sich 1912 zu
nächst über einige Grundzüge eines entsprechen
den Gesetzentwurfes. Danach sollte u. a. ein Ver
mittlungsverfahren in allen Ehrenbeleidigungssa
chen und in Rechtsstreitigkeiten, die nicht gesetzlich
einem anderen Verfahren unterliegen, obligatorisch
sein. Der Vermittler sollte keine Kompetenz zur
Rechtsprechung oder Strafgewalt erhalten und nicht
befugt sein, Zeugen zu vernehmen oder Eide abzu
nehmen. Wilhelm Beck 161 , der damals in St. Gallen
bei einem Rechtsanwalt praktizierte, wurde sodann
von der Kommission ersucht, einen Gesetzentwurf
auszuarbeiten, «in welchem die in der Schweiz
schon seit vielen Jahrzehnten bewährten Vorschrif
ten im Vermittlungswesen unseren Verhältnissen
angepasst werden sollten». Der Entwurf Becks wur
de Landesgerichtsrat Martin Hämmerle, Feldkirch,
zur weiteren Prüfung übergeben und von ihm über
arbeitet. Dabei nahm er das in Liechtenstein gelten
de Zivil- und Strafrecht als Grundlage, lehnte sich
dem Vorarlberger Gesetz an, übernahm aber auch
schweizerische Bestimmungen. Vorgesehen war
u. a. die Vermittlerwahl durch den Gemeinderat.
Das Ergebnis der Arbeit der Landtagskommission
wurde 1913 im Landtag beraten. Dort wurde auch
die Ansicht vertreten, der Vermittler als Vertrauens
person sei richtiger direkt durch das Volk zu wäh
len. Die Regierung wurde schliesslich beauftragt,
eine Gesetzesvorlage zu schaffen. 162
Das im Landtag 1915 verabschiedete Gesetz über
die Vermittlerämter 163 trug die Handschrift Wilhelm
Becks. Er hatte der vorberatenden Landtagskom
mission vorgestanden und einen umfangreichen,
fundierten Kommissionsbericht verfasst. 164 Er
brachte geschichtliche Erörterungen zum Institut
der Vermittlerämter in Frankreich, Deutschland,
Österreich und der Schweiz ein. Daran anknüpfend
zeigte er verschiedene bestehende Ansätze zu Ver
mittlungsverfahren in der liechtensteinischen Ge
setzgebung auf und belegte anhand statistischer Da
ten aus Vorarlberg und mehreren Schweizer Kanto
nen den Erfolg der Vermittlerämter. Die Gesetzes
vorlage hielt sich im Wesentlichen an die schon
1912 festgelegten Vorgaben. «Weil der Vermittler
ein geachteter, mit Personen- und Sachkenntnis
ausgestatteter Vertrauensmann sein soll», sollte er
auch vom Volk gewählt werden. Er musste nicht
über besondere juristische Kenntnisse verfügen,
sondern vor allem einen gütlichen Vergleich erzie
len können. Nicht einig war sich die Kommission, ob