Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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bescholtene und bei der Sache unbeteiligte Männer 
sein. 104 105 106 107 108 109 110 Es war allgemeine Bürgerpflicht, sich als Ge 
richtszeuge bei Untersuchungsverhandlungen ver 
wenden zu lassen. Die Pflicht betraf zunächst die 
Bewohner jener Gemeinde, in welcher die Untersu 
chungshandlung vorgenommen wurde. 111 Die Re 
gierung bezeichnete halbjährlich jene Landesange 
hörigen, die sich jeweils über Aufforderung des 
Landgerichts in ihrem Wohnort als Gerichtszeugen 
verwenden lassen mussten. Die Namen wurden 
amtlich kundgemacht. Die Zahl der Gerichtszeugen 
richtete sich nach der voraussichtlichen Inan 
spruchnahme. Auf eine Gemeinde mussten wenigs 
tens vier Gerichtszeugen entfallen. 112 Im öffentli 
chen und mündlichen Schlussverfahren wurde vom 
Landgericht als Kriminalgericht in kollegialer Beset 
zung entschieden. Der Gerichtshof bestand aus drei 
geprüften rechtskundigen Richtern, zwei beeidigten 
Laienrichtern (Schöffen) und einem Protokollführer. 
Die beiden Laienrichter mussten liechtensteinische 
Staatsbürger, im Fürstentum wohnhaft und im Voll 
genuss der bürgerlichen Rechte sein. Sie wurden 
von Fall zu Fall vom Landgericht aus den durch den 
Landtag auf die Dauer von drei Jahren gewählten 
sechs Laienrichtern (Schöffen) ausgelost und hatten 
gleiches Stimmrecht wie die drei geprüften Rich 
ter. 113 Das Schlussverfahren hatte im Beisein des Be 
schuldigten stattzufinden. Der Zutritt von Zuhörern 
war gestattet. Sollte der Gerichtshof eine geheime 
Sitzung beschliessen, konnte der Beschuldigte zwei 
Vertrauenspersonen als Zuhörer bezeichnen. 114 Das 
Urteil wurde mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei der 
Abstimmung gab das jüngste Mitglied des Gerichts 
hofes seine Stimme zuerst, der Vorsitzende zuletzt 
ab. 115 
Mit der neuen Strafprozessordnung wurde in be 
schränktem Umfang das altdeutsche Schöffeninsti 
tut wieder ins Leben gerufen. Die zeitgemässen Pro 
zessprinzipien blieben allerdings auf das Verfahren 
in erster Instanz beschränkt. Das Verfahren bei den 
Rekursinstanzen in Wien und Innsbruck fand ohne 
Laienrichterbeteiligung und unter Ausschluss der 
Öffentlichkeit statt. Die Entscheidungen wurden al 
lein auf Grund der eingesandten Akten und des Ein 
begleitungsberichts der Vorinstanz getroffen. 116 
Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes 
wählte der Landtag aus einer von der Regierung 
vorgelegten Liste von 18 Kandidaten sechs Gerichts 
beisitzer (Schöffen). 117 Die Regierung bezeichnete 
79 Personen, die während der ersten Amtsperiode 
als Gerichtszeugen zu fungieren hatten. Es waren 
mehrheitlich amtierende oder ehemalige Gemein 
defunktionäre und Gewerbetreibende. Für Vaduz 
wurden acht, für Eschen sieben, für Balzers, Trie- 
sen, Triesenberg, Schaan und Mauren sechs, für 
Gamprin, Ruggell und Schellenberg fünf und für 
Planken vier Gerichtszeugen bezeichnet. Jedem 
wurde eine entsprechende Bescheinigung zuge 
stellt. Die gewählten Schöffen wurden verständigt 
und amtlich kundgemacht. 118 
104) LLA RE 1880, Nr. 464. Schreiben des Abgeordneter Christoph 
Wanger, Vorsitzender des Landesausschusses, an Landesverweser 
von Hausen, 26. November 1880. 
105) Ebenda: Schreiben von Hausen an Appellationsgericht in Wien, 
14. Dezember 1880. 
106) LLA Landtagsprotokoll, 16. Juli 1881: Kommissionsbericht über 
die Strafgesetznovelle für das Fürstentum Liechtenstein vom 25. Juni 
1881. - Peter Rheinberger, Hauptmann des liecht. Militärkontingents 
und Landestechniker (1831-1893), Abgeordneter 1872-1877, 
1878-1882 und 1886-1893. 
107) Ebenda, Traktandum 7. 
108) Strafprozessnovelle vom 24. August 1881. LGB1. 1881, Nr. 1, 
Art. 1. 
109) Ebenda, § 1, Abs. 1. 
110) Ebenda, § 1, Abs. 2. 
111) Ebenda, § 1, Abs. 3. 
112) Ebenda, § l.Abs. 4. 
113) Ebenda, §6. 
114) Ebenda, § 8. 
115) Ebenda, § 10. 
116) Ebenda, § 17 u. 18. 
117) LLA Landtagsprotokoll vom 16. Juli 1881, Traktandum 10. 
118) LLA RE 1881, Nr. 1419. Bekanntgabe der erwählten Gerichts 
zeugen und Laienrichter. Die Bezeichnung der Gerichtszeugen 
erfolgte an der Regiemngssitzung vom 17. August 1881. Die amtli 
che Kundmachung, die Information des Landgerichts über die Wahl 
der Schöffen und die Bezeichnung der Gerichtszeugen, ebenso wie 
deren Bescheinigung resp. Verständigung, erfolgten am 17. Septem 
ber 1881.
	        

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