GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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bescholtene und bei der Sache unbeteiligte Männer
sein. 104 105 106 107 108 109 110 Es war allgemeine Bürgerpflicht, sich als Ge
richtszeuge bei Untersuchungsverhandlungen ver
wenden zu lassen. Die Pflicht betraf zunächst die
Bewohner jener Gemeinde, in welcher die Untersu
chungshandlung vorgenommen wurde. 111 Die Re
gierung bezeichnete halbjährlich jene Landesange
hörigen, die sich jeweils über Aufforderung des
Landgerichts in ihrem Wohnort als Gerichtszeugen
verwenden lassen mussten. Die Namen wurden
amtlich kundgemacht. Die Zahl der Gerichtszeugen
richtete sich nach der voraussichtlichen Inan
spruchnahme. Auf eine Gemeinde mussten wenigs
tens vier Gerichtszeugen entfallen. 112 Im öffentli
chen und mündlichen Schlussverfahren wurde vom
Landgericht als Kriminalgericht in kollegialer Beset
zung entschieden. Der Gerichtshof bestand aus drei
geprüften rechtskundigen Richtern, zwei beeidigten
Laienrichtern (Schöffen) und einem Protokollführer.
Die beiden Laienrichter mussten liechtensteinische
Staatsbürger, im Fürstentum wohnhaft und im Voll
genuss der bürgerlichen Rechte sein. Sie wurden
von Fall zu Fall vom Landgericht aus den durch den
Landtag auf die Dauer von drei Jahren gewählten
sechs Laienrichtern (Schöffen) ausgelost und hatten
gleiches Stimmrecht wie die drei geprüften Rich
ter. 113 Das Schlussverfahren hatte im Beisein des Be
schuldigten stattzufinden. Der Zutritt von Zuhörern
war gestattet. Sollte der Gerichtshof eine geheime
Sitzung beschliessen, konnte der Beschuldigte zwei
Vertrauenspersonen als Zuhörer bezeichnen. 114 Das
Urteil wurde mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei der
Abstimmung gab das jüngste Mitglied des Gerichts
hofes seine Stimme zuerst, der Vorsitzende zuletzt
ab. 115
Mit der neuen Strafprozessordnung wurde in be
schränktem Umfang das altdeutsche Schöffeninsti
tut wieder ins Leben gerufen. Die zeitgemässen Pro
zessprinzipien blieben allerdings auf das Verfahren
in erster Instanz beschränkt. Das Verfahren bei den
Rekursinstanzen in Wien und Innsbruck fand ohne
Laienrichterbeteiligung und unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt. Die Entscheidungen wurden al
lein auf Grund der eingesandten Akten und des Ein
begleitungsberichts der Vorinstanz getroffen. 116
Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes
wählte der Landtag aus einer von der Regierung
vorgelegten Liste von 18 Kandidaten sechs Gerichts
beisitzer (Schöffen). 117 Die Regierung bezeichnete
79 Personen, die während der ersten Amtsperiode
als Gerichtszeugen zu fungieren hatten. Es waren
mehrheitlich amtierende oder ehemalige Gemein
defunktionäre und Gewerbetreibende. Für Vaduz
wurden acht, für Eschen sieben, für Balzers, Trie-
sen, Triesenberg, Schaan und Mauren sechs, für
Gamprin, Ruggell und Schellenberg fünf und für
Planken vier Gerichtszeugen bezeichnet. Jedem
wurde eine entsprechende Bescheinigung zuge
stellt. Die gewählten Schöffen wurden verständigt
und amtlich kundgemacht. 118
104) LLA RE 1880, Nr. 464. Schreiben des Abgeordneter Christoph
Wanger, Vorsitzender des Landesausschusses, an Landesverweser
von Hausen, 26. November 1880.
105) Ebenda: Schreiben von Hausen an Appellationsgericht in Wien,
14. Dezember 1880.
106) LLA Landtagsprotokoll, 16. Juli 1881: Kommissionsbericht über
die Strafgesetznovelle für das Fürstentum Liechtenstein vom 25. Juni
1881. - Peter Rheinberger, Hauptmann des liecht. Militärkontingents
und Landestechniker (1831-1893), Abgeordneter 1872-1877,
1878-1882 und 1886-1893.
107) Ebenda, Traktandum 7.
108) Strafprozessnovelle vom 24. August 1881. LGB1. 1881, Nr. 1,
Art. 1.
109) Ebenda, § 1, Abs. 1.
110) Ebenda, § 1, Abs. 2.
111) Ebenda, § 1, Abs. 3.
112) Ebenda, § l.Abs. 4.
113) Ebenda, §6.
114) Ebenda, § 8.
115) Ebenda, § 10.
116) Ebenda, § 17 u. 18.
117) LLA Landtagsprotokoll vom 16. Juli 1881, Traktandum 10.
118) LLA RE 1881, Nr. 1419. Bekanntgabe der erwählten Gerichts
zeugen und Laienrichter. Die Bezeichnung der Gerichtszeugen
erfolgte an der Regiemngssitzung vom 17. August 1881. Die amtli
che Kundmachung, die Information des Landgerichts über die Wahl
der Schöffen und die Bezeichnung der Gerichtszeugen, ebenso wie
deren Bescheinigung resp. Verständigung, erfolgten am 17. Septem
ber 1881.