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Beisitzer und vier Ersatzleute zu wählen Die
Schlussverhandlung sollte das Landgericht als Kri
minalgericht führen, zusammengesetzt aus drei ge
prüften, rechtskundigen Richtern und vier beeidig
ten Beisitzern als Schöffen und dem Protokollführer.
Sie sollten die gleichen Eigenschaften haben wie die
Beisitzer in der Voruntersuchung. Vom Landtag wa
ren acht Schöffen zu wählen.
Vorbereitung der Vorlage für den Landtag
Am 26. November 1880 unterbreitete der Landes
ausschuss die von ihm überarbeitete Vorlage Lan
desverweser von Hausen. 104 Der Landesausschuss
sei der Überzeugung, «dass sich das Land Liechten
stein mit der von der Regierung vorgelegten Straf
prozess-Novelle noch lange nicht einer dem heuti
gen Zeitgeiste anpassenden Strafprozessordnung
erfreut; der Entwurf berücksichtigt aber doch die
kleinen Verhältnisse des Landes, verjüngt das beste
hende alte Gesetz von 1803 wesentlich, befreit von
seinen Härten und passt es den dermaligen Verhält
nissen so weit als möglich an», heisst es in dem Be
gleitschreiben. Um das Gesetz dem Landtag befür
wortend vorlegen zu können, beantragte der Lan
desausschuss jedoch einige Änderungen. Dazu zähl
ten die Wahl von zwölf Gerichtsbeisitzern als Ge
richtszeugen und acht Schöffen durch den Landtag,
sowie die Schlussverhandlung vor dem Kriminalge
richt, bestehend aus drei geprüften rechtskundigen
Richtern und vier beeidigten Beisitzern als Schöffen
und dem Protokollführer.
Der Landesverweser schickte Motivenbericht
und Abänderungsvorschläge des Landesausschus
ses zur Prüfung an das fürstliche Appellationsge
richt. Er empfahl, die Vorschläge der Volksvertre
tung zu akzeptieren. 105 Das Gericht in Wien war im
Wesentlichen mit allen Änderungsvorschlägen ein
verstanden. Nur hinsichtlich der Zusammensetzung
des Kriminalgerichts (drei rechtskundige Richter
und zwei Laien) und seiner Beschlussfassung hielt
es an der Regierungsvorlage fest, da der Vorsitzende
nicht Ausschlag bei der Stimmenmehrheit geben,
sondern eher eine ausgleichende und vermittelnde
Rolle haben sollte.
Die Volksvertretung nahm diesen letzten Bear
beitungsstand der Regierungsvorlage zur Kenntnis.
Im Kommissionsbericht des Landtags, erstattet vom
Abgeordneten Peter Rheinberger, 106 wird die Novel
le als wesentlicher Fortschritt in der Strafgesetzge
bung begrüsst. Der Entwurf streife die empfind
lichsten Härten des inquisitorischen Verfahrens ab
und bringe humane, den Angeklagten gegen Willkür
schützende Formen zur Geltung, meinte Rheinber
ger und fuhr wörtlich fort: «Die Prozessordnung
wird freilich noch lange nicht zu einem den heutigen
wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden
Gesetze umgewandelt; sie wird aber immerhin als
ein Gesetz anerkannt werden müssen, das den heu
tigen Verhältnissen mit Geschick angepasst wurde
und allen billigen Anforderungen entspricht. Wie
ich das Ländchen und seine Verhältnisse kenne,
kann sich dasselbe unmöglich den Luxus einer
grossstaatlichen, modernen Strafrechtspflege mit
Staatsanwalt und Geschworenen gönnen - das Ding
ist einmal zu teuer und in Anbetracht der Mängel,
die sich da und dort zeigen, vielleicht auch nicht ein
mal das Geld wert, was es kostet.» Abschliessend
hielt Rheinberger fest, dass der Landesausschuss
den Gerichtshof neben den drei geprüften rechts
kundigen Richtern mit vier Laienrichtern (Schöffen)
besetzen wollte, dass die Regierung diesem Begeh
ren aber nicht Folge geleistet und die Zahl der bei
sitzenden und mitbestimmenden Laien auf zwei be
schränkte.
Annahme der Novelle durch den Landtag
In der Landtagssitzung vom 16. Juli 1881 wurde die
Strafprozessnovelle unter Namensaufruf einstim
mig angenommen. 107 Verschiedene Bestimmungen
des rezipierten österreichischen Strafgesetzbuches
von 1803 und Artikel 3 der anlässlich der Rezeption
des österreichischen Strafgesetzes von 1852 erlas
senen Einführungsverordnung von 1859 wurden
durch neue Vorschriften ersetzt. 108 Danach hatte
das Untersuchungsverfahren bei Verbrechen beim
Landgericht als Kriminalgericht durch den Untersu
chungsrichter unter Zuzug von zwei Gerichtszeugen
und eines beeidigten Protokollführers zu erfol
gen. 109 Die Gerichtszeugen mussten volljährige, un-