Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

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teilnehmenden öffentlichen Meinung stattfinden 
werde. Und doch hat die Strafprozessordnung so 
viele Punkte von höchster Bedeutung zu ordnen, 
dass für sie durchaus die Teilnahme des Volkes in 
Anspruch zu nehmen ist. Da ja die Frage, in welchen 
Formen Straffälle verhandelt und entschieden wer 
den, gleichbedeutend ist mit der Frage nach dem 
Masse von Rechtssicherheit, welche in einem Lande 
der Bürger geniesst; selbst das beste materielle 
Recht kann diese Rechtssicherheit nicht gewährleis 
ten, wenn die Formen des Verfahrens der Willkür 
Spielraum lassen und die Rechtspflege nicht in der 
offenen Darlegung ihres Tuns und Lassens vor den 
Augen der Welt sich zugleich Sporn und Zügel ist, 
Pflicht und Recht zu üben.» ... «Das in unserem Lan 
de noch geltende schriftliche, geheime Strafverfah 
ren ist geradezu ein Anachronismus. Hilflos steht 
der Angeschuldigte, der, wenn Missetäter, doch im 
mer ein Mensch ist, wenn schuldlos, umso mehr auf 
Gewährung der Mittel Anspruch machen kann, sei 
ne Unschuld darzulegen vor seinem Untersu 
chungsrichter, der zugleich sein Ankläger und Ent 
scheidungsrichter ist, und vermag oft einmal nicht 
das Protokoll in allen den ihm vorgelesenen Punkten 
zu begreifen, und doch ist gerade dieses Protokoll 
der Griff seines Richtschwertes, die Handhabe, mit 
der man das darin Niedergeschriebene zur objekti 
ven Wahrheit stempelt. Selbst auch durch die Über 
weisung der Endentscheidung an einen kollegia- 
lisch zusammengesetzten Gerichtshof, wie dies jetzt 
bei uns der Fall ist, wird eine gute Strafrechtspflege 
nicht gewährleistet, da kein geistiger Kampf über 
Schuld oder Nichtschuld in mündlicher Rede unmit 
telbar vor dem entscheidenden Richterkollegium 
geführt wird, das demnach auch nicht in der Lage 
sein kann, den Straffall in allen seinen Windungen 
und Verwicklungen im Angesichte des Angeschul 
digten und der Zeugen selbst zu prüfen, den Schein 
vom Wesen zu sondern, die begangenen Irrtümer, 
Lücken und Missdeutungen der schriftlichen Unter 
suchung zu erkennen.» ... «Ohne der strengen 
Rechtlichkeit und Gewissenhaftigkeit jener Männer, 
welche bisher ausser den drei rechtskundigen Rich 
tern den Strafverhandlungen als so genannte Ge 
richtszeugen, 99 gleichsam an Stelle des Publikums, 
beiwohnten, in irgend einer Weise nahe treten zu 
wollen, kann diese Einrichtung nicht als genügend 
angesehen werden, weil diese Beisitzer, sei es durch 
Gewohnheit und Langeweile, sei es durch den Ein 
fluss des geistig und bürgerlich höher gestellten 
Richters, leicht zu nichtsbedeutenden Figuranten 
herabsinken, die allen Handlungen des Richters 
durch ihre in der Regel stets bereitwillige Unter 
schrift den Stempel der Gesetzlichkeit aufdrücken.» 
Nach dieser Kritik des Inquisitionsprozesses wer 
den die Vorzüge des mündlichen und öffentlichen 
Verfahrens dargelegt. Daran knüpft sich die Erwar 
tung, dass mit der Gesetzesreform auch das Institut 
der Staatsanwaltschaft geschaffen werde. Der öf 
fentliche Ankläger sei notwendig, da die bestehende 
Verbindung dieses Amtes mit dem des Richters un 
natürlich sei und den Angeklagten gefährde. 
Schliesslich wird die bisher fehlende Assistenz des 
Angeklagten durch einen frei gewählten rechtskun 
digen Verteidiger und die klare Trennung zwischen 
polizeilicher Ermittlung und eigentlicher gerichtli 
cher Kriminaluntersuchung gefordert. Es folgen 
Überlegungen zum Laienrichtertum, insbesondere 
zur Geschworenengerichtsbarkeit: «Da es ferner ein 
anerkannter Erfahrungssatz ist, dass gerade der 
grösste Scharfsinn und die schärfste Kombinations 
gabe des Juristen nicht selten geneigt sind, künstlich 
eine historische Gewissheit aufzubauen, wo keine 
zu finden ist und dass da, wo keine künstliche Be 
weistheorie gilt, der im Leben gereifte, gesunde Ver 
stand des gebildeten Mannes mindestens ebenso ge 
schickt, ja vielmals noch tauglicher ist, die Frage 
über Schuld oder Nichtschuld (Tatfrage) zu ent 
scheiden, als der technisch gebildete rechtsgelehrte 
Verstand, so können wir nicht umhin, auch unsere 
Sympathien für die Geschworenen-Gerichte kund 
zugeben, obgleich wir nicht verkennen können, 
dass der Einführung dieses Instituts sich bei uns 
grosse, wohl aber nicht unüberwindbare Hindernis 
se in den Weg stellen werden. Übrigens haben ande 
re kleine Staaten sowohl in Deutschland und ander 
wärts bewiesen, dass die Einführung der Schwurge 
richte von der Anzahl der Bewohner und der Qua 
dratmeilen nicht bedingt ist. - Nur durch die 
Schwurgerichte gewinnt, unseres Erachtens, die
	        

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