GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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Landammanngerichts Einvernahme und Urteil am
amtlichen Verhörtag vorangingen. Bauer sah im
Malefizgericht einen «bäurischen abusus», der ge
gen die Hoheit des Landesfürsten gerichtet sei. Er
empfahl deshalb, (1) den Untertanen lediglich zwei
Vertreter des Gerichts bei der Examinierung eines
Delinquenten zu bewilligen. Dass die Landammän
ner bei Verhörtagen in der Kanzlei sitzen sollten,
schicke sich nicht. (2) Es solle bei einer früheren Re
solution bleiben, mit der ihnen bewilligt worden sei,
jährlich ein Frevelgericht zu halten. (3) Die Ferti
gung und Siegelung von Kauf-, Tausch- und Heirats
briefen sei Sache der fürstlichen Kanzlei.
Die Untertanen des Landes bemühten sich beim
Landesfürsten weiter um die Bestätigung ihrer alten
Privilegien und Gewohnheiten. Dieser sandte zur
Untersuchung der vorgebrachten Bitten und Be
schwerden eine eigene Kommission ins Land. Sie
fasste schliesslich am 25. September 1733 eine Re
solution 41 und machte den beiden Landschaften
«ohne Zustehung des geringsten Rechts, ... allein
aus einer Gnad, und ohne Consequenz» eine Reihe
von Zugeständnissen, die in der historischen Litera
tur als reduzierte Landammannverfassung bezeich
net werden. Danach erhielt der Landammann den
Beisitz bei Blutgerichten. Bei einer Exekution in Ma
lefizsachen durfte er nach Verlesung des Urteils
durch den Landschreiber den Stab führen und bre
chen, und mit den übrigen Gerichtsleuten die Male
fizperson zur Richtstatt hinausbegleiten, jedoch
«ohne dass weiters über die Malefizperson ein Ge
richt gehalten werden solle». 42 Auch bei den Verhör
tagen wurde dem jeweiligen Landammann der Bei
sitz, jedoch ohne Stimmrecht zugestanden. 43 Die
Landammänner erhielten auch wieder die Befugnis,
alle Schuldbriefe und Kontrakte, nachdem sie vor
her in der fürstlichen Kanzlei vorgezeigt und zu Pro
tokoll genommen waren, zu besiegeln und darüber
ein besonderes Protokoll zu führen. 44 Schliesslich
wurde ihnen ein besonderes Frevelgericht bewilligt,
das anstatt des Zeitgerichts zwei Mal im Frühling
und Herbst gehalten werden sollte. Die Untere
Landschaft war damals mit keinem Landammann
mehr besetzt und bei einigen Gemeinden beider
Landschaften waren Gerichtsleute (Richter) abgän
gig. Deshalb sollte die Nachbesetzung «dem alten
Gebrauch nach» erfolgen und die Landammann
wahl vorgenommen werden. «Zur Ersparung der
Kosten» sollte diese jedoch künftig alle vier und
nicht wie bisher alle zwei Jahre wiederholt wer
den. 45
Stark reduzierte Beteiligung des Volkes
an der Rechtsprechung
Ab 1733 war die Beteiligung des Volkes an der
Rechtsprechung stark reduziert. Den Landschaften
blieben nur mehr das minder wichtige Frevelgericht
und der Beisitz des Landammanns mit beratender
Stimme bei den wöchentlichen Verhörtagen des
Oberamts. Beim Oberamt lagen nun alle übrigen
richterlichen Funktionen. Der Einfluss der Landes
herrschaft auf die Rechtsprechung nahm stark zu.
An die Stelle der Laien im Ammanngericht traten
vermehrt die juristisch gebildeten Herrschaftsbe
amten. Die Rechtsprechung unter der Linde lebte
zwar der äusseren alten Form nach bis ins 19. Jahr
hundert fort, war inhaltlich jedoch weitgehend aus
gehöhlt. Das Volk war von der Rechtsanwendung
fast gänzlich ausgeschlossen.
Die Entwicklung zu Lasten der Laienbeteiligung
im Gerichtswesen, vom öffentlichen Verfahren unter
freiem Himmel zur geheimen Kabinettsjustiz, hatte
schon früher eingesetzt. Neue Verfahrensordnun
gen, insbesondere die auch in Liechtenstein subsidi
är geltende Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V.
(Carolina) von 1532, verlangten verstärkt die Anlage
von Gerichtsakten, deren Versendung an Oberin
stanzen und das Einholen von Gutachten in schwie
rigeren Rechtsfragen. Dazu brauchte es beamtete
Juristen. Ab dem 17. Jahrhundert wurden die Ver
hörtage der Herrschaftsbeamten im geschlossenen
41) LLA RA 2/7/5/1, Resolution des Vorsitzenden der Fürstlichen
Kommission, Johann Philipp von Widmann, betreffend Wiederein
führung von alten Volksrechten, Vaduz, 25. September 1733.
42) Ebenda, Punkt 1.
43) Ebenda, Punkt 2.
44) Ebenda, Punkt 3.
45) Ebenda, Punkt 4.