Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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wohlhabendsten Untertanen» zur Ernennung vor 
geschlagen werden. Die vier Richter und der Ge 
richtschreiber hingegen sollten «durch die Majora 
von der ganzen Gemeind erwählt» werden. Die 
Wahl bedurfte der fürstlichen Bestätigung und galt 
auf Lebenszeit. Die Wahl sollte nicht mehr nach der 
«bisher in Übung gewesenen unanständigen Ma 
nier» abgehalten werden, sondern «jeder von der 
Gemeind» wurde in Gegenwart des Oberamts «um 
seine Stimme absonderlich vernommen». 35 
Die Bezeichnungen für die neuen Amtsleute könn 
ten darauf schliessen lassen, dass diese ausschliess 
lich Gerichtsfunktionen wahrnehmen sollten. Das 
traf jedoch nur in geringem Mass zu. Der Amtmann 
sollte auf die landesherrlichen Rechte achten und 
Aufsicht führen; die zwei ältesten Richter sollten 
«als Bürgermeister» der Gemeinde wirken, ihre Gü 
ter verwalten und Rechnung führen; die anderen 
zwei Richter «die übrigen Gemeindesachen zu Holz 
und Feld, Wunn, Weid, Trieb und Trab, Weg und Steg 
in ihre Obsicht nehmen»; der Gerichtsschreiber 
schliesslich sollte «alle vorfallenden Gemeindesa 
chen protokollieren und dem Oberamt berichten». 36 
Die Amtsleute erhielten aber auch die «Macht, in al 
len zwischen ihren Gemeindsleuten vorfallenden 
bürgerlichen Streitigkeiten von Unsertwegen zu er 
kennen und zu sprechen, auch in geringeren Über 
tretungen ein und andere Strafen zu diktieren». «Da 
dem Landesfürsten die Jurisdiktion einzig und al 
lein zusteht», waren die Strafgelder ans Oberamt 
abzuliefern. 37 Gegen alle Urteile dieser örtlichen Ge 
richte war Appellation an das Oberamt und von da 
an den Landesfürsten gegeben. 38 
Gegenwehr der Untertanen 
Die Untertanen wehrten sich gegen die neu erlasse 
ne Ordnung. In Eingaben an den Fürsten baten sie 
wiederholt darum, ihre alten, vom Kaiser bestätig 
ten Rechte und Freiheiten behalten zu können. In ei 
ner Petition vom März 1728 ersuchten sie darum 
an, der Fürst solle ihnen gestatten, (1) «dass der 
Landammann mit seinem Stab auch künftig mit al 
len Richtern zu Gericht sitzen und auch Urteile spre 
chen könne, (2) dass der Landammann Beisitzer bei 
oberamtlichen Verhören sein könne; (3) dass das 
Gericht die Obligationen, Kaufbriefe etc. nach altem 
Brauch und Herkommen ratifiziert». 39 
Mit einem rechtlichen Gutachten vom 10. April 
1728 zum Landsbrauch nahm OberamtsVerwalter 
Anton Bauer Stellung zu dieser Petition. 40 Auf 
schlussreich ist seine Beschreibung und Beurteilung 
des Malefizgerichts. Die Untertanen hätten, so 
schreibt Bauer, «nichts anderes als diesen bäuri 
schen modum gehabt, dass wann eine Person crimi 
naliter eingezogen und von landesfürstlicher Obrig 
keit über selbe das Urteil gesprochen worden, Land 
ammann und Gericht zusammengetreten, Gericht 
und Recht über den Delinquenten mit besondern 
recht bäurischen, auch lächerlichen Formalitäten 
gehalten, und eben dasjenige Urteil über selbigen 
gefällt, so vorher schon von gnädigster Landesherr 
schaft wegen gesprochen worden, und darauf hin 
den Stab gebrochen in der Meinung, als wenn sie 
concurrentem jurisdictionem hätten». Hier wird 
deutlich, dass der öffentlichen Verhandlung des 
35) Ebenda, Cap. IV, § IV 
36) Ebenda, Cap. IV, § III. 
37) Ebenda, Cap. IV, § V. 
38) Ebenda, Cap. IV, § VI. 
39) LLA RA 2/7/2, Eingabe der Untertanen des Fürstentums Liech 
tenstein vom März 1728. 
40) LLA RA 2/7/3, Rechtliches Gutachten betr. Landsbrauch von 
Oberamtsverwalter Anton Bauer, Vaduz, 10. April 1728. 
Ausschnitt aus der Dienst 
instruktion vom 10. April 
1719, S. 47. Das Kapitel IV 
enthält u. a. die Bestim 
mungen über die Aufhe 
bung der alten Landam 
mannverfassung und die 
Neuordnung des Gerichts 
wesens.
	        

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