GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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wohlhabendsten Untertanen» zur Ernennung vor
geschlagen werden. Die vier Richter und der Ge
richtschreiber hingegen sollten «durch die Majora
von der ganzen Gemeind erwählt» werden. Die
Wahl bedurfte der fürstlichen Bestätigung und galt
auf Lebenszeit. Die Wahl sollte nicht mehr nach der
«bisher in Übung gewesenen unanständigen Ma
nier» abgehalten werden, sondern «jeder von der
Gemeind» wurde in Gegenwart des Oberamts «um
seine Stimme absonderlich vernommen». 35
Die Bezeichnungen für die neuen Amtsleute könn
ten darauf schliessen lassen, dass diese ausschliess
lich Gerichtsfunktionen wahrnehmen sollten. Das
traf jedoch nur in geringem Mass zu. Der Amtmann
sollte auf die landesherrlichen Rechte achten und
Aufsicht führen; die zwei ältesten Richter sollten
«als Bürgermeister» der Gemeinde wirken, ihre Gü
ter verwalten und Rechnung führen; die anderen
zwei Richter «die übrigen Gemeindesachen zu Holz
und Feld, Wunn, Weid, Trieb und Trab, Weg und Steg
in ihre Obsicht nehmen»; der Gerichtsschreiber
schliesslich sollte «alle vorfallenden Gemeindesa
chen protokollieren und dem Oberamt berichten». 36
Die Amtsleute erhielten aber auch die «Macht, in al
len zwischen ihren Gemeindsleuten vorfallenden
bürgerlichen Streitigkeiten von Unsertwegen zu er
kennen und zu sprechen, auch in geringeren Über
tretungen ein und andere Strafen zu diktieren». «Da
dem Landesfürsten die Jurisdiktion einzig und al
lein zusteht», waren die Strafgelder ans Oberamt
abzuliefern. 37 Gegen alle Urteile dieser örtlichen Ge
richte war Appellation an das Oberamt und von da
an den Landesfürsten gegeben. 38
Gegenwehr der Untertanen
Die Untertanen wehrten sich gegen die neu erlasse
ne Ordnung. In Eingaben an den Fürsten baten sie
wiederholt darum, ihre alten, vom Kaiser bestätig
ten Rechte und Freiheiten behalten zu können. In ei
ner Petition vom März 1728 ersuchten sie darum
an, der Fürst solle ihnen gestatten, (1) «dass der
Landammann mit seinem Stab auch künftig mit al
len Richtern zu Gericht sitzen und auch Urteile spre
chen könne, (2) dass der Landammann Beisitzer bei
oberamtlichen Verhören sein könne; (3) dass das
Gericht die Obligationen, Kaufbriefe etc. nach altem
Brauch und Herkommen ratifiziert». 39
Mit einem rechtlichen Gutachten vom 10. April
1728 zum Landsbrauch nahm OberamtsVerwalter
Anton Bauer Stellung zu dieser Petition. 40 Auf
schlussreich ist seine Beschreibung und Beurteilung
des Malefizgerichts. Die Untertanen hätten, so
schreibt Bauer, «nichts anderes als diesen bäuri
schen modum gehabt, dass wann eine Person crimi
naliter eingezogen und von landesfürstlicher Obrig
keit über selbe das Urteil gesprochen worden, Land
ammann und Gericht zusammengetreten, Gericht
und Recht über den Delinquenten mit besondern
recht bäurischen, auch lächerlichen Formalitäten
gehalten, und eben dasjenige Urteil über selbigen
gefällt, so vorher schon von gnädigster Landesherr
schaft wegen gesprochen worden, und darauf hin
den Stab gebrochen in der Meinung, als wenn sie
concurrentem jurisdictionem hätten». Hier wird
deutlich, dass der öffentlichen Verhandlung des
35) Ebenda, Cap. IV, § IV
36) Ebenda, Cap. IV, § III.
37) Ebenda, Cap. IV, § V.
38) Ebenda, Cap. IV, § VI.
39) LLA RA 2/7/2, Eingabe der Untertanen des Fürstentums Liech
tenstein vom März 1728.
40) LLA RA 2/7/3, Rechtliches Gutachten betr. Landsbrauch von
Oberamtsverwalter Anton Bauer, Vaduz, 10. April 1728.
Ausschnitt aus der Dienst
instruktion vom 10. April
1719, S. 47. Das Kapitel IV
enthält u. a. die Bestim
mungen über die Aufhe
bung der alten Landam
mannverfassung und die
Neuordnung des Gerichts
wesens.