GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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fach dem niederen Adel der Region an. Wurde im
Mittelalter kein Anspruch auf höhere Bildung erho
ben, so war seit dem 16. Jahrhundert in der Regel
ein Rechtsstudium Voraussetzung für die Einstel
lung. Die Landvögte und die Land- oder Gerichts
schreiber stammten nicht aus der lokalen Bevölke
rung. Sie hatten jedenfalls alle eine gewisse juristi
sche Ausbildung. 25 26 Die Gerichtsweibel waren Ein
heimische.
ANDERE GERICHTSFORMEN 27
Neben dem (Land)ammanngericht gab es andere
Gerichtsformen, die es konkurrenzierten:
Landesherren
Die Landesherren hatten als Inhaber der Gerichts
hoheit das Recht zur Ausübung der niederen und
hohen Gerichtsbarkeit. Sie konnten auch allein
Recht sprechen, Fälle an sich ziehen, Urteil spre
chen und den Weiterzug an andere Gerichte ver
sperren.
Verhörtage der Herrschaftsbeamten
Die Herrschaftsbeamten hielten zusammen mit dem
Landammann auf Schloss Vaduz Verhörtage ab, auf
denen sowohl gerichtliche wie auch die Verwaltung
betreffende Entscheidungen getroffen wurden. Die
Leitung der Verhörtage hatte der Landvogt inne. Ge
gen Verhörtagsurteile konnte an das Zeitgericht
(Landammanngericht) und weiter an das herr
schaftliche Hofgericht appelliert werden. 28
Schiedsgericht
Eine wichtige Rolle spielte das Schiedsgericht. Be
sonders in Nutzungskonflikten zogen die Unterta
nen das Schiedsgericht dem Ammanngericht vor.
Die Schiedsgerichte wurden im Spätmittelalter noch
vorwiegend mit adeligen, in Herrschaftsdiensten
stehenden Leuten besetzt. Später waren die Schieds
richter meist Untertanen aus den zwei Landschaf
ten. Die Schiedsgerichtsbarkeit war eine weitere
Möglichkeit der Selbstregelung und der Beteiligung
der lokalen Bevölkerung an der Rechtsprechung.
Kaiserliches Landgericht in Rankweil
Das kaiserliche Landgericht in Rankweil behielt
trotz der Brandisischen Freiheiten 29 bis 1806 einige
Bedeutung für Liechtenstein, besonders in Schuld
sachen.
Geistliches Gericht
In Angelegenheiten, die kirchliche Rechte betrafen,
sah sich das Offizialat in Chur als geistliches Gericht
als zuständig.
Gemeindegeschworene als Vermittler
Eine gewisse Vermittler- und Friedensrichterfunkti
on hatten die Gemeindegeschworenen.
Freiwillige Gerichtsbarkeit
Schliesslich gab es die so genannte freiwillige Ge
richtsbarkeit, wie die Beglaubigung und Besiege
lung von Urkunden durch den Landammann, als
Teil der durch die lokale Bevölkerung ausgeübten
Selbstverwaltung.
25) Frömmelt, S. 59; Der Bestellungsvorgang, insbesondere der
Wechsel des Dreiervorschlags von der Landsgemeinde zum Richter
kollegium, ist quellenmässig nicht belegt. Vgl. dazu auch oben, Anm.
17 und 18, S. 35.
26) Vgl. Artikel «Landvogt» im Historischen Lexikon für das Fürsten
tum Liechtenstein (HLFL), verfasst von Karl Heinz Burmeister.
27) Vgl. dazu: Frömmelt, S. 81-101.
28) Schädler, Huldigungsakte, S. 24.
29) Vgl. oben, S. 35.
Ausschnitt aus einem Ver
hörtagsprotokollbuch
(Blatt 25r): Protokolle über
vom herrschaftlichen
Oberamt am 24. Oktober
und 4. November 1650 in
der Kanzlei auf Schloss
Vaduz abgehaltene Ver
hörtage.