GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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beamten (Zentgraf, Minister, Schultheiss) unterstellt
und bildete wieder einen eigenen Gerichtsbezirk.
Der Zentgraf versammelte die Gemeinde seines Ge
richtsbezirks, um Gericht zu halten. Als Richter wa
ren ihm Schöffen oder Urteilsprecher beigegeben.
Dingpflichtig waren die Freien des Bezirks. Unfreie
konnten nicht Schöffen sein.
Die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit der Zentgra
fen gegenüber der richterlichen Gewalt des Gaugra
fen und Einzelheiten der Gerichtsorganisation bis
ins Hochmittelalter sind ungeklärt. 11 12 13 Möglicherwei
se hatte ein Teil der Gerichtsbezirke des Spätmittel
alters in unserer Region ihren Ursprung in der frän
kischen Gerichtsreform mit der Scheidung in Gra
fen- und Zentenargericht.
Seit der Zugehörigkeit zum fränkischen Reich
konnte der König als oberster Richter Rechtsfälle an
sich ziehen. Die Gerichtsgewalt ging vom König aus.
Im eigentlichen Prozess muss wohl unterschieden
werden zwischen der wahrscheinlich eine Vorin
stanz darstellenden freundlichen Einigung durch
ein Schiedsgericht und der Entscheidung durch das
zuständige örtliche Gericht. Die Rechtsprechung
selbst erfolgte nach Vorbringen der Beteiligten und
Beweiserhebung, anfänglich durch die Versamm
lung der Dingpflichtigen eines Gebiets oder Stam
mes, später durch auf Lebenszeit bestellte rechts
kundige Männer (Schöffen). Nach fränkisch-deut
scher Rechtstradition führte ein urteilender Richter
den Gerichtsvorsitz, die Urteilsfindung erfolgte
durch die Gerichtseingesessenen.
DIE RECHTSQUELLEN 14
Da Recht nach mittelalterlichen Vorstellungen nicht
an das Territorium sondern an die Menschen ge
bunden war, lebte man nach Gewohnheitsrecht, das
im Frühmittelalter vornehmlich romanisch, später
zunehmend alemannisch geprägt war. Alemanni
sches Recht wurde auf Initiative der fränkischen Kö
nige wiederholt aufgezeichnet.
Das Feldkircher Stadtrecht war im 14. Jahrhun
dert auf die gemischte Bevölkerung romanischer
und schwäbisch-alemannischer Herkunft ausge
richtet und enthielt Elemente aus beiden Rechtstra
ditionen. 15 Seit dem 13. Jahrhundert setzte sich wie
in Vorarlberg zudem das kanonische Recht durch
und überlagerte in vielen Bereichen das weltliche
Recht. Gleichzeitig ist wohl auch unter kirchlichem
Einfluss eine Zunahme der Schiedsgerichtsbarkeit
feststellbar. Auf dem Land herrschte im 14. Jahr
hundert eine Rechtszersplitterung. Klösterliche und
weltliche Grundherren begannen, ihre Weistümer
aufzuzeichnen, die in ihrem Herrschaftsbereich gel
tend waren.
Seit dem 16. Jahrhundert begann das in der zen
tralen kaiserlichen Bürokratie (Reichskammerge
richt) und bei den landesherrlichen Hofgerichten
zur Anwendung gelangende Römische Recht die Ge-
wohnheits- und Landrechte zu verdrängen. Im Be
mühen, die Gewohnheitsrechte zu sichern, wurden
damals beglaubigte Aufzeichnungen des Lands
brauchs, der Rechtsquellen der ländlichen Gerichte,
erstellt. Der Begriff Land ist dabei auf den engeren
Bereich der Gerichtsgemeinden innerhalb des lan
desherrlichen Gebiets zu beziehen. Ihr Zusammen
leben wurde durch ihr Landrecht, durch ihren
Landsbrauch, geregelt. 16 Letztlich aber musste im
weiteren Verlauf das wenig kodifizierte Gewohn
heitsrecht allmählich dem ausformulierten Römi
schen Recht des gelehrten Juristenstandes weichen.
Bis zur Aufhebung des Landsbrauchs 1808 galten in
erster Linie gewohnheitsrechtliche Normen. Über-
11) Zu diesem Abschnitt vgl. Quellen und Literatur, S. 110-113.
12) Die Darstellung fusst im Wesentlichen auf allgemeiner Literatur
zur deutschen Rechtsgeschichte. Auch Peter Kaiser (1847), dem die
liechtensteinische historische Literatur zu den Verhältnissen jener
Zeit mehr oder weniger folgt, hatte wohl keine anderen Grundlagen.
Zu den lokalen Verhältnissen fehlen historische Quellen. Die regiona
le Entwicklung ist insbesondere durch die umfangreichen Studien
Benedikt Bilgeris zur Vorarlberger Geschichte und jüngere Über
sichtsdarstellungen Karl Heinz Burmeisters und Alois Niederstätters
aufgezeigt worden. (Vgl. Kaiser; Bilgeri; Burmeister, Rechtsgeschich
te Vorarlbergs.)
13) Vgl. dazu auch Frömmelt, S. 2-8.
14) Burmeister, Rechtsgeschichte Vorarlbergs; Niederstätter.
15) Burmeister, Rechtsgeschichte Vorarlbergs, S. 42-45.
16) Niederstätter, S. 53.