Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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beamten (Zentgraf, Minister, Schultheiss) unterstellt 
und bildete wieder einen eigenen Gerichtsbezirk. 
Der Zentgraf versammelte die Gemeinde seines Ge 
richtsbezirks, um Gericht zu halten. Als Richter wa 
ren ihm Schöffen oder Urteilsprecher beigegeben. 
Dingpflichtig waren die Freien des Bezirks. Unfreie 
konnten nicht Schöffen sein. 
Die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit der Zentgra 
fen gegenüber der richterlichen Gewalt des Gaugra 
fen und Einzelheiten der Gerichtsorganisation bis 
ins Hochmittelalter sind ungeklärt. 11 12 13 Möglicherwei 
se hatte ein Teil der Gerichtsbezirke des Spätmittel 
alters in unserer Region ihren Ursprung in der frän 
kischen Gerichtsreform mit der Scheidung in Gra 
fen- und Zentenargericht. 
Seit der Zugehörigkeit zum fränkischen Reich 
konnte der König als oberster Richter Rechtsfälle an 
sich ziehen. Die Gerichtsgewalt ging vom König aus. 
Im eigentlichen Prozess muss wohl unterschieden 
werden zwischen der wahrscheinlich eine Vorin 
stanz darstellenden freundlichen Einigung durch 
ein Schiedsgericht und der Entscheidung durch das 
zuständige örtliche Gericht. Die Rechtsprechung 
selbst erfolgte nach Vorbringen der Beteiligten und 
Beweiserhebung, anfänglich durch die Versamm 
lung der Dingpflichtigen eines Gebiets oder Stam 
mes, später durch auf Lebenszeit bestellte rechts 
kundige Männer (Schöffen). Nach fränkisch-deut 
scher Rechtstradition führte ein urteilender Richter 
den Gerichtsvorsitz, die Urteilsfindung erfolgte 
durch die Gerichtseingesessenen. 
DIE RECHTSQUELLEN 14 
Da Recht nach mittelalterlichen Vorstellungen nicht 
an das Territorium sondern an die Menschen ge 
bunden war, lebte man nach Gewohnheitsrecht, das 
im Frühmittelalter vornehmlich romanisch, später 
zunehmend alemannisch geprägt war. Alemanni 
sches Recht wurde auf Initiative der fränkischen Kö 
nige wiederholt aufgezeichnet. 
Das Feldkircher Stadtrecht war im 14. Jahrhun 
dert auf die gemischte Bevölkerung romanischer 
und schwäbisch-alemannischer Herkunft ausge 
richtet und enthielt Elemente aus beiden Rechtstra 
ditionen. 15 Seit dem 13. Jahrhundert setzte sich wie 
in Vorarlberg zudem das kanonische Recht durch 
und überlagerte in vielen Bereichen das weltliche 
Recht. Gleichzeitig ist wohl auch unter kirchlichem 
Einfluss eine Zunahme der Schiedsgerichtsbarkeit 
feststellbar. Auf dem Land herrschte im 14. Jahr 
hundert eine Rechtszersplitterung. Klösterliche und 
weltliche Grundherren begannen, ihre Weistümer 
aufzuzeichnen, die in ihrem Herrschaftsbereich gel 
tend waren. 
Seit dem 16. Jahrhundert begann das in der zen 
tralen kaiserlichen Bürokratie (Reichskammerge 
richt) und bei den landesherrlichen Hofgerichten 
zur Anwendung gelangende Römische Recht die Ge- 
wohnheits- und Landrechte zu verdrängen. Im Be 
mühen, die Gewohnheitsrechte zu sichern, wurden 
damals beglaubigte Aufzeichnungen des Lands 
brauchs, der Rechtsquellen der ländlichen Gerichte, 
erstellt. Der Begriff Land ist dabei auf den engeren 
Bereich der Gerichtsgemeinden innerhalb des lan 
desherrlichen Gebiets zu beziehen. Ihr Zusammen 
leben wurde durch ihr Landrecht, durch ihren 
Landsbrauch, geregelt. 16 Letztlich aber musste im 
weiteren Verlauf das wenig kodifizierte Gewohn 
heitsrecht allmählich dem ausformulierten Römi 
schen Recht des gelehrten Juristenstandes weichen. 
Bis zur Aufhebung des Landsbrauchs 1808 galten in 
erster Linie gewohnheitsrechtliche Normen. Über- 
11) Zu diesem Abschnitt vgl. Quellen und Literatur, S. 110-113. 
12) Die Darstellung fusst im Wesentlichen auf allgemeiner Literatur 
zur deutschen Rechtsgeschichte. Auch Peter Kaiser (1847), dem die 
liechtensteinische historische Literatur zu den Verhältnissen jener 
Zeit mehr oder weniger folgt, hatte wohl keine anderen Grundlagen. 
Zu den lokalen Verhältnissen fehlen historische Quellen. Die regiona 
le Entwicklung ist insbesondere durch die umfangreichen Studien 
Benedikt Bilgeris zur Vorarlberger Geschichte und jüngere Über 
sichtsdarstellungen Karl Heinz Burmeisters und Alois Niederstätters 
aufgezeigt worden. (Vgl. Kaiser; Bilgeri; Burmeister, Rechtsgeschich 
te Vorarlbergs.) 
13) Vgl. dazu auch Frömmelt, S. 2-8. 
14) Burmeister, Rechtsgeschichte Vorarlbergs; Niederstätter. 
15) Burmeister, Rechtsgeschichte Vorarlbergs, S. 42-45. 
16) Niederstätter, S. 53.
	        

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