Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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Dadurch wurde die Unvoreingenommenheit des 
Richters gegenüber dem Angeklagten eher gewähr 
leistet. Verhandlungen in Strafsachen wurden wie 
der öffentlich und mündlich. Nach § 179 der Pauls 
kirchenverfassung sollten für alle schweren Strafsa 
chen und politischen Vergehen Schwurgerichte ein 
geführt werden. In der Zivilgerichtsbarkeit blieb es 
bei der Besetzung der Kollegialgerichte mit Berufs 
richtern. 
Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts kam es in 
fast allen deutschen Staaten zu Reformen des Straf 
prozesses und dabei wieder zur Laienbeteiligung in 
der Strafrechtspflege, entweder über Schwurgerich 
te nach französischem Vorbild oder über Schöffen 
gerichte, in denen Juristen und Laien gemeinsam 
das Urteil fällten. Im Schwurgericht fällte eine Ge 
schworenenbank allein den Schuldspruch. Eine aus 
Berufsrichtern bestehende Richterbank belehrte die 
Geschworenen über ihre Pflichten und setzte die ge- 
setzmässige Strafe fest. Die Mitglieder der Geschwo 
renenbank wurden jeweils durch Los aus dem Kreis 
der vom Volk gewählten Geschworenen bestimmt. 
Das altgermanische Ding wurde als Vorbild des 
Schwurgerichts gepriesen. In ihm lebte das alte ger 
manische Prinzip der Trennung von Richter und Ur 
teilern wieder auf. Die Geschworenen entschieden 
nämlich allein und unabhängig von den rechtskun 
digen Berufsrichtern. Das Schwurgericht stand für 
die Volksfreiheit und den Schutz vor bürokratischer 
Willkür der Richter, an deren Unabhängigkeit vom 
Herrscher man nicht recht glaubte. 
Bald schon setzte Kritik an der im Zuge der Straf 
prozessreformen wieder eingeführten Laienbeteili 
gung ein. Besonders umstritten war die richterliche 
Kompetenz der mit rechtsunerfahrenen Leuten be 
setzten Geschworenenbank im Schwurgericht. So 
wurden in Deutschland auf entsprechende Einwen 
dungen hin 1924 die Schwurgerichte in Schöffenge 
richte umgewandelt, in denen Geschworene und Be 
rufsrichter gemeinsam einen Schuldspruch zu fällen 
und die Strafe festzusetzen haben. 
DIE ENTWICKLUNG DER LAIEN 
GERICHTSBARKEIT IN ÖSTERREICH 
IM 19. JAHRHUNDERT 10 
Angesichts des nahen Verhältnisses Liechtensteins 
zu Österreich, das sich besonders in der Rezeption 
einer ganzen Reihe von österreichischen Rechtsvor 
schriften und in der Überlassung österreichischer 
Richter für den liechtensteinischen Justizdienst 
zeigt, ist es angebracht, die dortige Entwicklung der 
Reform des Strafverfahrens kurz näher zu betrach 
ten. 
Vorläufer des österreichischen Geschworenenge 
richts war letztlich die Einführung der Laienge 
richtsbarkeit in Deutschland 1848. Grundlagen da 
für bildeten der Gedanke der Volkssouveränität und 
das Misstrauen gegen vom Staat eingesetzte Berufs 
richter. Der geheime Inquisitionsprozess sollte ab 
geschafft werden. Die unter dem Druck der Revolu 
tion erlassene Verfassung vom 25. April 1848 gab 
für das Strafverfahren wesentliche Modernisie 
rungstendenzen vor, so die Garantie der Unabsetz 
barkeit der Richter, den Staatsanwalt als Anklagebe 
hörde und die Prozessprinzipien der Mündlichkeit 
und Öffentlichkeit des Verfahrens. Mit der Strafpro 
zessordnung von 1850 wurden diese Modernisie 
rungstendenzen umgesetzt und das Geschworenen 
gericht eingeführt. 
Mit der Rückkehr zum absolutistischen System 
wurden die Schwurgerichte schon bald wieder ab 
geschafft. Die Strafprozessordnung von 1853 insti 
tutionalisierte die Bezirksämter als Bezirksgerichte 
und Gerichtsbarkeit erster Instanz. Damit war auf 
dieser Stufe die Trennung von Justiz und Verwal 
tung wieder aufgehoben. Der Inquisitionsprozess 
wurde in gemilderter Form wieder eingeführt. Mit 
der Wiedereinführung des Inquisitionsprozesses 
und der Abschaffung wesentlicher Prozessprinzi 
pien war folgerichtig auch kein Platz mehr für Laien 
auf der Richterbank. 
Im Zeitalter des Konstitutionalismus erfolgten 
dann wieder eine Umkehr im Staatsdenken und 
10) Vgl. dazu Sadoghi, S. 37-125.
	        

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