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AUSWIRKUNGEN AUF DIE DEUTSCHE
GERICHTSVERFASSUNG
Im Spätmittelalter breitete sich die Strafjustiz stark
aus. Straf- und Zivilrecht traten auseinander. Die
Zuständigkeit der Gerichte teilte sich. Zwischen Kö
nig und Landesherren änderten sich die Machtver
hältnisse. Königliche Gerichtshoheit ging auf Lan
desherren über. Es kam zu ständischen Differenzie
rungen im Gerichtswesen. Zusätzlich entwickelte
sich die kirchliche Gerichtsbarkeit. Als Ergebnis bot
die Gerichtsverfassung im Alten Deutschen Reich
ein verwirrendes Bild.
Vom 15. Jahrhundert an wurden die Einflüsse
der Rezeption römischen Rechts auch auf das deut
sche Strafverfahrensrecht und die Gerichtsverfas
sung deutlich. Wesentliches Charakteristikum des
sich mit dem öffentlichen Strafrecht entwickelnden
Inquisitionsprozesses war es nunmehr, die Wahr
heit eines Sachverhalts zu ermitteln. Formale bishe
rige Beweismittel wie Eideshelfer, Gottesurteile oder
Zweikampf wurden mit der Zeit ausgeschlossen. Im
Beweisrecht gewannen die Augenscheinsnahme,
die Befragung von Tatzeugen und schliesslich das
Geständnis der Beschuldigten an Bedeutung. Um
ein Geständnis zu erlangen, wurde die Folter ange
wandt.
In Deutschland setzte sich im 15. und 16. Jahr
hundert römisch-rechtlich stark beeinflusstes ober
italienisches Recht allmählich durch. Mit der He
rausbildung eines gelehrten Juristenstandes dran
gen rezeptionsrechtliche Gedanken in Landes- und
Reichsgerichtsverfassungen ein. Dabei wandelte
sich insbesondere die Rolle der Laienrichter. Im rö
mischen Recht geschulte Richter beeinflussten bald
massgebend die Entscheidung der noch amtieren
den Schöffen, die nur im heimischen Recht bewan
dert waren. An die Stelle der bisherigen Laien traten
nun vermehrt gelehrte Richter. Dazu trugen auch
neue Verfahrensordnungen bei. Schwierige Rechts
fragen waren einem höheren Gericht oder Rechts
gelehrten der Universitäten vorzulegen. Akten
mussten angelegt und versandt werden. Das war für
die meisten Schöffen damals nicht zu bewältigen.
Der Beizug von Juristen wurde unumgänglich.
Die Landesfürsten minderten den Einfluss der
Schöffen weiter, indem sie in den fürstlichen Kanz
leien und den Gerichten abhängige Beamte anstell
ten. Der Einfluss der Landesherren auf Verwaltung
und Rechtsprechung wuchs stetig. Im Laufe von
zwei Jahrhunderten wurden die Laien völlig aus der
Rechtspflege verdrängt. Die Zeit des Absolutismus
kannte nur noch beamtete Richter, die Recht nicht
mehr durch, sondern für das Volk sprachen. Die Ge
richte gerieten in die Abhängigkeit des Regenten
und wurden zum Attribut der Polizei.
Ungeachtet dieser Neuerungen lebte die alte
Form der Rechtsprechung unter der Linde an vielen
Orten bis ins 19. Jahrhundert fort. Und wenn sich
auch in einigen wenigen Gebieten das Schöffenge
richt lange erhalten konnte, entstand doch weithin
eine tiefe Kluft zwischen Volk und Recht, da das
neue Recht nicht auf dem Rechtsgefühl des Volkes
aufbaute und dieses gänzlich von der Rechtsanwen
dung ausgeschlossen war.
DIE PEINLICHE GERICHTSORDNUNG (PGO)
KARLS VI. VON 1532
Die Peinliche Gerichtsordnung (PGO) Karls V. von
1532 war das erste deutsche Reichsstrafgesetzbuch.
Es regelte die Strafverfahren und enthielt Vorschrif
ten zur Gerichtsorganisation sowie Regelungen ma
teriellen Rechts. Danach waren die Gerichte mit ei
nem Richter, mehreren Schöffen und einem Ge
richtsschreiber zu besetzen. Der Richter leitete den
Prozess, führte notwendige Untersuchungen und
fällte zusammen mit den Schöffen das Urteil. In die
ser endgültigen Abschaffung der Trennung von
Richtern und Urteilern (Schöffen) liegt der Beginn
der modernen Schöffengerichtsordnung. Gemäss
PGO war das Volk noch an der Rechtsprechung be
teiligt. Damit rezipiertes römisches Recht auch bei
nicht gelehrten Richtern Anwendung fand, regelte
die PGO die Aktenversendung zu den Oberhöfen
oder Juristenfakultäten. Das Verfahren war vorwie
gend schriftlich und mittelbar. Die unteren Gerichte
waren meist nur mit dem Sammeln der Beweise im
Vorverfahren befasst. Die Richter und Schöffen in