GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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verschiedene Hinweise auf Laienrichter. Insbeson
dere sind mit den im Gerichtsorganisationsrecht ge
nannten Schöffen eindeutig Laienrichter angespro
chen. Als Gegensatz zum Laienrichter findet sich im
liechtensteinischen Recht der Begriff des «rechts
kundigen» Richters. Auch dieser Begriff ist nicht
eindeutig definiert. Ein vom Staatsgerichtshof 1953
darüber erstattetes Gutachten hält fest, dass als
rechtskundig Personen gelten, «die der im Lande
bestehenden Rechtsvorschriften im vollen Umfange
mächtig sind, ohne ein abgeschlossenes Studium an
einer Lehranstalt nachweisen zu müssen». 5 Trotz
dieses Gutachtens blieb in den liechtensteinischen
Rechtsnormen bis zur jüngsten Reform der Ge
richtsorganisation und des Richterdienstes 2007 6 in
Bezug auf die Rechtskundigkeit und die Berufs- oder
Laienrichter einiges offen. 7
Formen der Teilnahme von Laien
an der Rechtsprechung
Wir kennen heute drei Hauptformen der Teilnahme
von Laien an der Rechtsprechung: das Schwurge
richt, in dem die Geschworenen allein und selbstän
dig über die Schuld des Angeklagten entscheiden;
das gemischte Gericht (Schöffengericht), in dem Be
rufs- und Laienrichter gemeinsam über Schuld und
Strafe urteilen; schliesslich den Friedensrichter
(Vermittler), der für geringfügige Delikte zuständig
ist. Der Laienrichter nimmt im Wesentlichen die
gleiche Aufgabe wahr wie der Berufsrichter. Der
Friedensrichter (Vermittler), der ebenfalls Laie ist,
hat jedoch zumeist keine oder nur geringe Kompe
tenz zur Rechtsprechung.
THEMATISCHE EINGRENZUNG
UND GLIEDERUNG
Im Zentrum der folgenden historischen Betrachtung
steht die Frage, wann und wie Laien als Richter ge
wirkt haben. Diese enge Fragestellung musste je
doch zum besseren Verständnis an verschiedenen
Stellen um den allgemeinen Bereich der Rechte des
Volkes an der Rechtspflege und seiner Beteiligung
an der Gerichtsbarkeit erweitert werden.
Den Hauptteil der vorliegenden Abhandlung bil
det ein rechtsgeschichtlicher Überblick über die Be
teiligung von Laien an der Gerichtsbarkeit. Aufbau
end auf eine allgemeine Darstellung der Entwick
lung im mitteleuropäischen Rechtskreis, folgt die
Geschichte des Laienrichtertums in Liechtenstein
vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Vor dem so ge
zeichneten historischen Hintergrund und nach ei
ner aktuellen rechtsvergleichenden Skizze der Lai
enbeteiligung im Gerichtswesen im mitteleuropäi
schen Rechtskreis werden dann kurz die wesentli
chen Elemente einer rechtlichen Würdigung ange
sprochen, nämlich die Vor- und Nachteile der
Mitwirkung von Laien im gerichtlichen Verfahren.
Am Schluss stehen eine Zusammenfassung und
Würdigung des Laienrichtertums aus historischer
Sicht und ein Ausblick auf eine allfällige Neurege
lung.
2) Tömördy, Sabine: Die Beteiligung von Laienrichtern (d.h. von
Richtern ohne juristische Bildung) an der Rechtssprechung liechten
steinischer Gerichte: Rechtliche Regelung, Sinn und praktische
Bedeutung. St. Gallen, 1998. Diplomarbeit Universität St. Gallen.
3) Siehe unten: Quellen und Literatur, S. 110-113.
4) Vgl. dazu: Bizozzero; Tömördy, S. 100-101.
5) Gutachten StGH vom 18. 7. 1953. ELG 1947-1954, S. 274-276.
6) Gesetz vom 24. Oktober 2007 über die Organisation der ordentli
chen Gerichte (Gerichtsorganisationsgesetz; GOG), LGB1. 2007, Nr.
34; Richterdienstgesetz (RDG) vom 24. Oktober 2007, LGB1. 2007,
Nr. 347.
7) Vgl. dazu auch Ritter, Karlheinz, sowie S. 90-92.