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chung für dieses Wort gibt. Vielmehr wird im ent
sprechenden Artikel auf seine Herkunft aus rätoro
manisch zapin hingewiesen. Weitere Wörter, von
denen man erfährt, dass sie ihren Ursprung im Rä
toromanischen haben sind etwa Murälli <Hund> (rä
toromanisch murel <Halsband für Hunde und Kat
zen)), Spuusa <Braut> oder Batzger <Hilfsbursche
auf der Alp>.
Das rätoromanische Wortgut haben die Triesen-
berger nach ihrer Einwanderung von der altansäs
sigen Bevölkerung übernommen, andere Fremd
wörter sind aus dem Französischen oder Italieni
schen eingeflossen. Die Anzahl dieser Wörter ist er
staunlich gross: Ferchanz <frei von der Arbeit) (frz.
vacances <Ferien)), supäärt <ausgesprochen schön)
(frz. superbe), Turmenta <Eigenheiten, komische
Gewohnheiten) (ital. tormento <Plage, Qual, Nerven
säge)), tuschuur <immer, andauernd) (frz. toujours),
grampoola <Lärm machen) (frz. caramboler <zu-
sammenstossen)) oder parla unverständlich re
den) (ital. parlare, frz. parier) sind nur wenige,
ganz zufällig ausgewählte Beispiele für Wörter der
Triesenberger Mundart, die nicht deutschen Ur
sprungs sind.
In seiner Sammlung bemüht sich Herbert Hübe
aber nicht nur bei Fremdwörtern, die Herkunft der
Stichwörter anzugeben, sondern fallweise auch
beim deutschen Wortgut. Hier leistet die Nennung
der mittelhochdeutschen Wortform einen doppelten
Dienst. Der Vergleich mit der rund eintausend Jahre
älteren Form zeigt einerseits, welche alten Wörter
sich über viele Jahrhunderte erhalten haben und er
zeigt andererseits, ob und wie das Wort sich in der
Mundart von Triesenberg verändert hat. Das alte
Triesenberger Wort für einen Holzbohrer lautet
Nägwer. Aus mittelhochdeutscher Zeit ist es als na-
beger überliefert. Ärischt <Ernsthaftigkeit) hiess
mittelhochdeutsch (mhd.) ernest, Bildara <Zahn-
fleisch) gehört zu mhd. büren, gauma <Kinder hü
ten) stammt aus mhd. goumen, geechzoornig jäh
zornig) hiess mhd. gaechzornic, Migga <süssliches
Weissbrotgebäck) kommt von mhd. micke <kleines
Brot), Sila <Hosenträgen gehört zu mhd. sile und
schlems <schräg, diagonal) zu mhd. slimbes <schief).
Zahlreiche Wortartikel der Triesenberger Wör
tersammlung sind mit Satzbeispielen ausgestattet
und illustrieren so die Verwendung und Einbettung
der Stichwörter in der gesprochenen Sprache. Oft
sind es stehende Wendungen, Redensarten oder
Sinnsprüche. Auch hier kann eine Auswahl nur an
deuten, welche Fundstücke sich auf den eng be
druckten Buchseiten verbergen: A ma Helaga tuad
ma kä Wüsch uf d Hengi <an einem hohen kirchli
chen Sonntag hängt man keine Wäsche auf). Oder:
Wenn ma eim ättas Schlächtsch wünscha wett, de
weer s ds Vergnüaga a baram Gääld, an bööscha
Nachpuur und as Hüüsli aani Fach <wenn man je
mandem etwas Schlechtes wünschen wollte, dann
wäre es das Vergnügen an barem Geld, einen bösen
Nachbarn und ein kleines Haus ohne Dach). Oder:
Moorgaträga und Wiiberwee sind am Nüüni niana
mee <Regen am Morgen und das Jammern von
Frauen sind bis 9 Uhr schon vorbei). Oder: A Liecht-
mäss sött no di besser Hälfti vam Heustogg umma
sii <an Lichtmess (2. Februar) sollte noch die (quali
tativ) bessere Hälfte des Heuvorrates verfügbar
sein). Oder: Liaber an Luus uf am Chruud f as gar käs
Fleisch dieber eine Laus auf dem Kraut, als gar kein
Fleisch). Oder auch: Vor a Schindlatanna und ara
mälcha, guata Chua sött ma dr Huad lüpfa <vor ei
ner Schindeltanne und einer guten Kuh, die viel
Milch gibt, sollte man grosse Achtung haben). Und
zahlreich sind auch Kinder- und andere Reime wie
zum Beispiel: MichheltU Machheltl brunzat i ds
Chachhelti ds Chachhelti rinnd, ds Michhelti stingt.
Oder: Um und um sind d Läda zua, und um und um
gid s Meitla gnuag, und wem a will di schönschta
druus, muas ma haltga Fromahus.
Diese Sätze sind wie Schlaglichter in die Volks
kunde. Sie lassen erahnen, wie die Menschen am
Bäärg gelebt haben und welche Wertvorstellungen
ihr Zusammenleben prägten. Sie zeigen oft auch wie
prägnant die Einheimischen Sachverhalte auszu
drücken wussten. Diese Sätze aus dem Leben der
Triesenberger werten die Wörtersammlung zusätz
lich auf. Schade, dass man sie bisweilen etwas su
chen muss. Schade, dass nicht noch weit mehr von
ihnen Eingang in Herbert Hilbes Werk gefunden ha
ben.