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den Lebensmittelkarten bestimmte Coupons abge
trennt, dafür war ihr Selbstbehalt bei der Abliefe
rungspflicht rationierter Waren, etwa bei Milch,
grosszügig berechnet. 25 Coupons konnten in Mahl
zeitencoupons umgetauscht werden. Coupons durf
ten auch sonst getauscht oder verschenkt, aber
nicht verkauft werden. Läden, Bäcker, Metzger etc.
klebten die Coupons auf Bogen. Diese lieferten sie
ab, 26 entsprechend erhielten sie etwa wieder Mehl
über die Grossisten. 27 Mit nicht benutzten Lebens
mittelkarten legte das Land in Schaan ein «Landes
lager» mit Vorräten an. 28
Eine Lebensmittelkarte erhielt jede Person, vom
Kind über die Magd bis hinauf zum Fürsten. Franz
Josef, Fürstin Gina sowie Regierungschef Hoop er
hielten ab dem März 1944 monatlich je eine zweite
Karte zur Erfüllung von Repräsentationspflichten. 29
In Liechtenstein, welches 1941 gut 11 000 Einwoh
ner zählte, wurden in den fast neun Rationierungs
jahren über zwei Millionen (2 131 141) Lebensmit
telkarten ausgegeben. 30 Sie enthielten zirka 50 Mil
lionen Coupons. 31
SCHWIERIGKEITEN
Es gab unvermeidlich auch Verstösse und Schwie
rigkeiten. Besonders zu Beginn klappte nicht alles. 32
Eine Kontrolle im Herbst 1939 ergab, dass die Le
bensmittelhändler die Buchhaltung für die ratio
nierten Güter «sehr nachlässig» führten. Die Regie
rung verwarnte sie. 33 An fixierte Preise musste man
sich gewöhnen: So verkaufte im Herbst 1939 ein
Unterländer Grossist den Detaillisten noch Zucker
zu 75 Rappen pro Kilo statt zu den von Bern vorge
schriebenen 58 Rappen. Da die Detailhändler im La
den Zucker für 65 Rappen verkaufen mussten, hatte
ihnen der Grossist die Differenz von 17 Rappen pro
Kilo zu erstatten. 34
Im Herbst 1940 kam es in Liechtenstein zu
«Angstschlachtungen» von Schweinen, wegen Be
zugssperre und Kontingentierung von Schweine
fleisch. Die Regierung musste die Bauern beruhi
gen, man nehme ihnen keine Schweine, die sie zur
Selbstversorgung bräuchten. 35 Offenbar wurde aber
öfter «schwarz gemetzget», besonders im Unter
land. 36
Im Juli 1941 sperrte die Regierung gar den Trie-
senbergern für zwei Monate die Abgabe von Back
mehl (für Selbstbacker), offenbar wegen Miss
brauchs. Darauf schrieb eine junge Berger Mutter
empört an die Regierung: Man strafe ausgerechnet
die gemüseärmste Gemeinde, im Lande unten ver
füttere man Mehl den Schweinen, man könne nicht
einmal mehr Knöpfli und Kratzeti machen, Fleich
vermöge man unter der Woche keines, einzelne
Frauen besässen «keine Kartoffeln, keinen Kaffee
und gar keinen Staub Mehl mehr». Was sie denn äs-
sen? «Tee und Brot und etwas Milch von der Sücca».
Die mutige Briefschreiberin schloss, die Berger sei
en doch «auch Liechtensteiner» und «müssen auch
leben». Aber die Regierung blieb bei der zeitlich be
grenzten Massnahme. 37
Butter wurde gelegentlich unter der Hand ge
tauscht oder verkauft. 38 Für 1 kg Butter löste man
«schwarz» 25 Franken, 39 das entsprach annähernd
zwei Tageslöhnen eines Bauarbeiters. Als es im
Herbst 1941 in Liechtenstein auf einmal zu wenig
Konsummilch und Butter gab, stellte die Regierung
öffentlich fest:
«Verschiedene Symptome weisen darauf hin, dass
ein bedenklicher Schleichhandel mit Milchproduk
ten zu übersetzten Wucherpreisen um sich greift.»
Ultimativ und unter Sanktionsandrohung forder
te die Regierung die Bauern auf, alle nicht selber be
nötigte Milch abzuliefern sowie die Höchstpreise
einzuhalten. 40
Eier, sehr begehrt, bieten ein weiteres anschauli
ches Beispiel. Ab Dezember 1941 waren Hühner-
und Enteneier sowie Eiprodukte rationiert. Geflü
gelhalter mussten den Bestand alle vier Monate mel
den. Für jede Person im Haushalt durfte man den
hauseigenen Legeertrag von IV2 Hühnern behalten.
Alle andern Eier - bei privatem Verkauf die entspre
chenden Coupons des Käufers - mussten einer
Eiersammelstelle («Eierzentrale») abgeliefert wer
den, pro Huhn im Jahr mindestens 70 Eier. Lieferte
man weniger ab, konnten Kontrollen und Strafen
folgen - was häufig geschah. 41 Denn gar zu oft ver
legten fahrlässige Hühner die gesuchten Eier.