Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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keit der Gerichte gestärkt und dem Volk Einfluss auf 
die Justiz verschafft wurde. Durch die Laienbeteili 
gung sollten die Berufsrichter kontrolliert und will 
kürliche Entscheidungen vermieden werden. Sie 
war vor allem Ausdruck von Misstrauen gegenüber 
dem Staat und seinen beamteten Richtern. 
Die Laienbeteiligung ist als eine Form der Demo 
kratisierung der Rechtsprechung in der Landesver 
fassung enthalten. Diese geht von der Koexistenz von 
Berufsrichtern und Laienrichtern aus. Die Geschich 
te der Laienbeteiligung bestätigt die Demokratisie 
rungsfunktion der Laienrichter. Die Geschichte 
spricht auch für die zweite wesentliche Aufgabe der 
Laienrichter, das Vertrauen der Bevölkerung in die 
Justiz zu stärken, indem sie die Berufsrichter in ihrer 
Tätigkeit beobachten und kontrollieren. 
Mit der Paulskirchenverfassung von 1848 wurde 
zum ersten Mal die Forderung nach der Beteiligung 
von Laien in der Strafgerichtsbarkeit für alle deut 
schen Länder einheitlich festgeschrieben. Die Lai 
enbeteiligung stellte dabei nur einen Teil von umfas 
senden gesellschaftlichen und staatsrechtlichen 
Forderungen dar, die im Anschluss an die französi 
sche Revolution durchgesetzt werden sollten. 1881 
wurde in der Strafprozessordnung zum ersten Mal 
die Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege in 
Liechtenstein eingeführt. Sie ist bis heute beibehal 
ten und nach 1921 noch ausgebaut worden. 
Seit 1848 gab es immer wieder Kontroversen um 
die Form der Laienbeteiligung im Gerichtswesen. 
Klar ist jedenfalls herauszuheben, dass der Grund 
für die Einführung der Mitwirkung von Laien in der 
Justiz der Kampf gegen das beamtete Berufsrichter- 
tum war. Die wechselvolle Geschichte des Laienrich 
tertums hat gezeigt, dass dieses stets dann einge 
schränkt wurde, wenn der Beschuldigte mehr als 
Objekt gesehen, seine Rechte eingeschränkt wur 
den, während die Staatsmacht uneingeschränkt 
und unkontrolliert agierte. Geschworene und Schöf 
fen wurden im Laufe der Geschichte stets dann be 
seitigt, wenn im Sinne eines autoritären Regiments 
mit dem Angeklagten kurzer Prozess gemacht wur 
de, wenn seine Rechte empfindlich eingeschränkt 
wurden und die Staatsmacht im Bereich der Straf 
gerichtsbarkeit frei schalten und walten wollte. 
Das Jahrhunderte lange Misstrauen gegenüber 
der Justiz und ihren Berufsrichtern war ausschlag 
gebend für die Laienrichterbeteiligung insbesonde 
re im Strafprozess. Damit verbunden war notwendi 
gerweise die Mündlichkeit des Verfahrens und die 
Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, ebenso die 
öffentliche Verhandlung und die freie richterliche 
Beweiswürdigung. Eine Erkenntnis aus der Ge 
schichte ist, dass zu einem demokratischen Rechts 
staat eine wirkungsvolle Laienbeteiligung an der 
Gerichtsbarkeit gehört. 
Historische Gründe allein können das Laienrich 
tertum nicht rechtfertigen. Die Geschichte verdeut 
licht jedoch, dass die Laiengerichtsbarkeit unter 
grossen Mühen erkämpft wurde. Historisch gesehen 
ist die Strafjustiz nie ganz ohne Laienbeteiligung 
ausgekommen. Selbst in Zeiten des Inquisitionspro 
zesses blieb sie in Spuren erhalten. Die Geschichte 
belegt auch die bei reinen Juristengerichten beste 
hende Gefahr, dass ein Volk einer seiner ureigensten 
Angelegenheiten entfremdet wird und so im Laufe 
der Zeit ein Stück Freiheit verliert. Die Gefahr zeigte 
sich besonders deutlich, wenn Richter als Staatsbe 
amte von der Regierung abhängig waren, wie bei 
spielsweise zur Zeit des Absolutismus. Auch wenn 
die Unabhängigkeit der Richter heute verfassungs 
rechtlich garantiert ist, so zählt dieses Argument, 
historisch gesehen, zur wichtigsten Rechtfertigung, 
Laien zur Rechtsprechung heranzuziehen. 
In ihrer heutigen Form stellt die Laienrichterbe 
teiligung eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts 
dar. Sie lässt sich als Teil von umfassenden gesell 
schaftspolitischen und staatsrechtlichen Forderun 
gen ohne weiteres in die Reihe der demokratischen 
Bestrebungen und Erfolge, wie Erringung der Ge 
waltenteilung, Volkssouveränität und Meinungs 
und Pressefreiheit, einordnen. Die Mitwirkung von 
Laien an der Rechtspflege ist Teil einer bedeutenden 
Rechtstradition und zählt zu den Grundlagen demo 
kratischen Denkens. Diese Errungenschaft sollte 
deshalb grundsätzlich nicht in Frage gestellt wer 
den.
	        

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