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Aufhebung der Landammannverfassung 1808
Die Landammannverfassung und damit auch jegli
che Mitwirkung von Laien und Beteiligung des Vol
kes an der staatlichen Gerichtsbarkeit wurden 1808
durch fürstliche Dienstinstruktionen aufgehoben.
Die Gerichtsbarkeit war fortan vom Oberamt mit
Unterstützung der von ihm aus einem Dreiervor
schlag der Gemeinden bestellten Ortsgerichte (Ge
meindevorstehungen) auszuführen.
Kurzfristige Veränderung der Verfassungs
verhältnisse durch die Revolution von 1848
Die Revolution von 1848 brachte in Liechtenstein
nur eine kurzfristige Veränderung der Verfassungs
verhältnisse mit sich. Die in Anlehnung an die alte
Landammannverfassung konzipierten Verfassungs
entwürfe sahen das Gerichtswesen in allen Instan
zen im Land, das öffentliche und mündliche Ge
richtsverfahren, Schwurgerichte und die Mitwir
kung des Volkes bei der Bestellung der Gerichtsor
gane vor. Die höchste Gewalt sollte auch in der
Rechtspflege beim Fürsten und Volke vereint sein.
Mit fürstlichem Erlass wurde 1852 die alte Rechts
ordnung wieder in Kraft gesetzt. Damit verschwan
den auch alle Ansätze zu einer Laienbeteiligung in
der Gerichtsbarkeit.
Geringfügige Laienbeteiligung durch zwei
Gerichtszeugen nach 1859
Die österreichische Strafprozessordnung von 1853
sah eine geringfügige Laienbeteiligung lediglich
noch im Untersuchungsverfahren vor. Die Erhebung
des Tatbestandes war im Beisein zweier Gerichts
zeugen vorzunehmen. Diese Bestimmung wurde in
Liechtenstein 1859 mit der Rezeption des österrei
chischen Strafgesetzbuches von 1852 angewendet.
Laienbeteiligung unter der konstitutionellen
Ordnung von 1862
Die Verfassung von 1862 sah keine Laienbeteiligung
an der Rechtssprechung vor. Die neue österrei
chische Strafprozessordnung von 1874 enthielt
grundsätzliche Anpassungen an die zeitgenössi
schen Rechtsanschauungen und verankerte mit der
Wiedereinführung der Geschworenengerichtsbar
keit die Laienbeteiligung an der Gerichtsbarkeit.
Dies war Anlass für den Landtag, die Einführung
des öffentlichen und mündlichen Strafverfahrens zu
verlangen. Nach einer mehrjährigen Auseinander
setzung zwischen Regierung und Volksvertretung
wurde 1881 eine Strafprozessnovelle erlassen. Da
nach hatte das Untersuchungsverfahren bei Verbre
chen beim Landgericht als Kriminalgericht unter
Zuzug von zwei Gerichtszeugen zu erfolgen. Das
Schlussverfahren war öffentlich und mündlich. Der
Gerichtshof bestand aus drei geprüften rechtskun
digen Richtern und zwei beeidigten Laienrichtern
(Schöffen), die von Fall zu Fall vom Landgericht aus
den durch den Landtag gewählten sechs Laienrich
tern ausgelost wurden. Die Laienrichter mussten
liechtensteinische Staatsbürger sein und waren
gleich stimmberechtigt wie die geprüften Richter.
Mit der Strafprozessordnung von 1881 wurde das
altdeutsche Schöffeninstitut in beschränktem Um
fang wieder ins Leben gerufen. Die Laienbeteiligung
blieb auf das Verfahren in erster Instanz be
schränkt. Die von der Volksvertretung geforderte
Mehrheit von Laienrichtern im Kriminalgericht
wurde nicht verwirklicht.
1884 wurden Änderungen sowohl im Verfahren
über Verbrechen als auch bei Vergehen und Über
tretungen vorgenommen. Der Zuzug zweier Ge
richtszeugen wurde beschränkt. Im Verfahren über
Vergehen bestand der Gerichtshof (Schöffengericht)
aus dem Untersuchungsrichter und zwei Laienrich
tern. Die Zusammensetzung des Kriminalgerichts
im Verfahren über Verbrechen blieb unverändert.
In den Diskussionen um die Justizreform 1906
bis 1915 wurden die Verlegung des Obergerichts ins
Land und damit ein mündliches und öffentliches
Verfahren auch in der zweiten Instanz sowie eine
Laienrichterbeteiligung im zivilrechtlichen Rekurs
verfahren gefordert. Die Forderungen wurden
schliesslich nicht umgesetzt. Die Reform brachte be
züglich der Beteiligung von Laien im Gerichtsver
fahren und der Zusammensetzung der Gerichtshöfe
keine Änderungen. Mit der Einführung der Vermitt
lerämter 1915 kam es hingegen zu einer neuen
Form der Laienbeteiligung am Gerichtswesen.