GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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AUSSAGEN AUS LIECHTENSTEIN
Sabine Tömördy
In der einzigen umfangreicheren juristischen Publi
kation von Sabine Tömördy, die sich mit der Beteili
gung von Laienrichtern an der Rechtssprechung
liechtensteinischer Gerichte befasst, werden die
Überlegungen und Darlegungen auf dem Hinter
grund von Untersuchungen im deutschsprachigen
Raum gemacht. Dabei wird auch ein Teil der oben
angeführten Literatur mit einbezogen. Tömördy
stellt die liechtensteinische Justizrechtsordnung
vor, prüft diese auf das Laienrichterprinzip hin und
versucht eine Wertung der Laienrichterbeteili
gung. 309 310 311 Auch die wenigen kleineren juristischen
Beiträge, die nebenbei und unter anderem auch auf
das Laienrichtertum eingehen, stützen sich teilwei
se auf solche Literatur. 312
Tömördy weist auf die Bedeutung des Laienrich
tertums in einer Zeit der Rechtsnormenflut hin. Lai
enrichter leisteten einen Gerechtigkeitsbeitrag, in
dem sie allgemein anerkannte Werturteile in die
richterliche Entscheidungsfindung einfliessen las
sen. Dadurch könnten die Rechtsunterworfenen den
Glauben an die von ihnen akzeptierte Rechtsord
nung als gerechtfertigt sehen. Die Justiz müsse Ver
trauen und Verständnis im Volk finden. Die weite
Verbreitung der Laien(richter)beteiligung wird als
Ausdruck dieser Volksverbundenheit gewertet. 313
Besonders einzubeziehen in die Diskussion über die
Tätigkeit der Laienrichter sei die dualistisch struk
turierte liechtensteinische Staatsordnung, die Ver
ankerung der Staatsgewalt im Fürsten und im Volk,
die massgebend für die Gerichtsorganisation und
bedeutsam für die Ausübung der richterlichen Tä
tigkeit sei. 314 Die Bedeutung der Laienrichter unter
sucht Tömördy anhand eines Anforderungsprofils
des liechtensteinischen Richters und geht dabei auf
die Entscheidungskomplexe der richterlichen Tätig
keit ein sowie auf Anforderungen im Einzelnen, wie
Rechts- und Sachkenntnisse, Volksverbundenheit.
Sie erkennt in der Laienbeteiligung einen Beitrag
zur Garantie der richterlichen Unabhängigkeit und
eine Konsequenz des demokratischen Prinzips. Die
Mitwirkung von Laienrichtern habe eine Kontroll-
funktion und stärke so im Volk das Vertrauen in die
Justiz. Der Berufsrichter werde dadurch gezwun
gen, eine plausible Verhandlungsleitung zu führen
und ein Urteil so zu begründen, dass es auch vom
Volk verstanden werden könne. Als weitere positive
Laienbeiträge beschreibt Tömördy das Einbringen
von Sachkenntnissen und Gerechtigkeitsvorstellun
gen des Volkes, von Menschenkenntnis und Lebens
erfahrung. Sie kommt insgesamt zum Schluss, dass
Laienrichter im Rahmen der Entscheidungskomple
xe durchaus einen wertvollen Beitrag leisten kön
nen. Als Schwäche der Beteiligung von Laien ortet
sie mangelnde rechtliche Qualifikation, als Stärken
ihren besonderen Beitrag bei der Feststellung von
Tatsachen und bei der Nutzung von Ermessens
spielräumen der Urteilsfindung. Keine Zweifel hegt
sie gegenüber der Laienrichterbeteiligung an der
Strafgerichtsbarkeit erster Instanz. Weniger eindeu
tig wird die Beteiligung in den Rekursinstanzen be
urteilt, wo ihre Stärken weniger gefragt sind. 315
Karl Kohlegger und Max Bizozzero
Der langjährige Präsident des Fürstlich-Liechten
steinischen Obersten Gerichtshofes, Dr. Karl Koh
legger, beklagt die eingetretene Entfremdung zwi
schen der Recht suchenden Bevölkerung einerseits
und dem Recht und den Richtern andererseits. Er
kritisiert die immer unverständlichere Fachsprache
und verlangt für eine bürgernahe Rechtspflege den
bürgernahen Richter. 316 In den liechtensteinischen
Laienrichtern sieht er das Rechtsempfinden und die
Rechtsauffassungen der Landesbewohner verkör
pert. Die Präsenz von Laienrichtern verlange Ver-
309) Vgl. dazu Spona, S. 17-19.
310) Vgl. dazu Benz, S. 199-211.
311) Tömördy, S. 4 f. und Literaturverzeichnis, S. 110-113.
312) Vgl. Kohlegger, Justizreform; Kohlegger, Gerichtshof; Kohlegger,
Richter in Liechtenstein; Bizozzero.
313) Tömördy, S. 2.
314) Ebenda, S. 6 f.
315) Ebenda, S. 29-65.
316) Kohlegger, Justizreform.