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Die aktuelle Beurteilung
des Laienrichtertums
Es ist nicht Aufgabe dieser Abhandlung, eine Beur
teilung des Laienrichtertums vorzunehmen. Es ging
lediglich darum, dessen historische Entwicklung
aufzuzeigen und vor diesem Hintergrund in einem
Teilbereich einen Beitrag zu einer solchen Beurtei
lung zu leisten. Dennoch seien im Folgenden kurz
die heute vorgebrachten Gründe für oder gegen eine
solche Beteiligung aufgeführt. Es geschieht dies an
hand einer Auswahl von Aussagen in der für die
Darstellung der allgemeinen Entwicklung der Lai
enbeteiligung und der Entwicklung in Liechtenstein
eingesehenen jüngeren Literatur. 304 Dabei gilt es je
doch zu beachten, dass die meisten dieser Würdi
gungen auf theoretischen Überlegungen und An
nahmen fussen, die nur in den wenigsten Fällen
durch empirische Untersuchungen erhärtet sind.
AUSSAGEN AUS DEM DEUTSCH
SPRACHIGEN RAUM
Eveline Angehrn; Ludewig-Kedmi Revital 305
Das Laienelement in der Gerichtsbarkeit wird als
förderlich für die Urteilsakzeptanz erachtet. Die In
stitution der Laienrichter wird als Bindeglied zwi
schen dem gelebten und dem gelehrten Recht gese
hen. Angesichts der Fülle und Komplexität des mo
dernen Rechts ist jedoch umstritten, inwieweit sie
dieser Rolle noch gerecht wird. Die Laienbeteiligung
entspricht dem Grundgedanken des Milizsystems,
in dem den Mitgliedern eines organisierten Kollek
tivs demokratische Mitwirkung angeboten und die
Bildung einer sich verselbständigenden und auf ihre
eigenen Sonderinteressen bedachten Führungselite
verhindert wird. Für Milizorganisationen sprechen
auch wirtschaftliche und finanzielle Gründe. Die
Beibehaltung des Laien in der Rechtssprechung
gründet auf dem Misstrauen gegenüber der Staats
gewalt und der Angst vor dem Verlust der Kontrolle
über die Herrschaft des Rechts. Das eigentliche Ka
pital der Justiz ist das Vertrauen des Volkes, das
durch die Laienbeteiligung gestärkt wird. Der Lai
enrichter entspricht dem Bild des Richters als «ei
ner von uns», einer aus dem Volk, der sein Wissen,
seine Fähigkeiten, seine Person in den Dienst der
Gemeinschaft stellt. Dem Expertentum in der
Rechtssprechung wird mit viel Skepsis begegnet.
Durch die Volkswahl der Richter, direkt oder indi
rekt über ein Parlament, wird die richterliche Ge
walt in der Bevölkerung abgestützt. Die Richter
erhalten eine demokratische Legitimation. Zur
Rechtssprechung gehört nicht nur Rechtskenntnis,
sondern auch das, was man allgemein unter «ge
sundem Menschenverstand» oder Rechtsgefühl ver
steht: eine rechte Mischung lebenspraktischer und
abstrahierender Urteilsfähigkeit, die beim Laien
richter stärker vermutet wird. Angenommen wird
allerdings auch, dass Laienrichter stärker als Be
rufsrichter durch öffentlichen Druck und Medien
beeinflussbar sind. Laienrichter zwingen Berufsju
risten, ihre juristisch-technische Sprache in leicht
verständliche Alltagsbegriffe zu übersetzen. Die
Frage bleibt offen, ob und wie weit sich das Laien-