GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
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DEUTSCHLAND 293 294 295
In Deutschland sind Laien (ehrenamtliche Richter)
bis heute in die Rechtsprechung integriert. Das klas
sische Schwurgericht wurde 1924 abgeschafft. An
seine Stelle trat das grosse Schöffengericht mit
sechs Geschworenen und drei Berufsrichtern. Lai
enrichter werden einheitlich als Schöffen bezeich
net. Sie werden auf der Grundlage von Vorschlags
listen der Gemeinden durch einen Schöffenwahl
ausschuss für jeweils vier Jahre gewählt. Das Amt
des Schöffen ist ein Ehrenamt. Es besteht Amts
pflicht, das heisst die Berufung zum Schöffen kann
nur in gesetzlich ausdrücklich bestimmten Fällen
abgelehnt werden. Schöffen sind an Amts- und Lan
desgerichten vertreten. Es ist gewährleistet, dass
jede Strafsache entweder in erster oder in der Beru
fungsinstanz unter Mitwirkung von Laien verhan
delt wird. Die Oberlandesgerichte und der Bundes
gerichtshof sind ausschliesslich mit Berufsrichtern
besetzt. Als Begründung wird angeführt, dass diese
Gerichte grösstenteils Revisionen bearbeiteten, so
dass es vor allem auf die Entscheidung von Rechts
fragen ankäme, für die juristische Laien naturge-
mäss weniger geeignet seien. Das Schöffengericht
am Amtsgericht setzt sich jeweils aus einem Richter
und zwei Schöffen zusammen. Letztere üben wäh
rend der Hauptverhandlung das Richteramt in vol
lem Umfang und mit gleichem Stimmrecht aus wie
der Richter. Bei Meinungsverschiedenheiten kön
nen damit die Laienrichter den Berufsrichter über
stimmen.
Voraussetzung für die Schöffenwahl ist einzig die
deutsche Staatsbürgerschaft. Zusätzlich müssen je
doch alle Bevölkerungsgruppen ihrem Anteil ent
sprechend nach Geschlecht, Alter und Beruf berück
sichtigt werden. Die Schöffen sind grundsätzlich
nicht rechtsgelehrt. Sie dürfen aber durchaus über
eine juristische Qualifikation verfügen. Im Gerichts
alltag ist in der Regel ein Laienrichter anzutreffen,
der über keine im Studium erworbene Rechtskennt
nisse verfügt.
Zwölf der 16 Länder der Bundesrepublik Deutsch
land kennen eine vorgerichtliche Streitschlichtung
durch Schiedsmänner und Schiedsfrauen, die als
geschulte Laien zu einer erheblichen Entlastung der
Justiz geführt haben. Eine Privatklage darf erst
dann bei Gericht erhoben werden, wenn vorher die
gütliche Einigung versucht worden ist. 296
293) Ebenda, S. 122. - Der Staatsgerichtshof verwies dazu auf
Bizozzero, S. 65 f., Tömördy, S. 65 und Waschkuhn, Justizordnung,
S. 40.
294) Urteil 5A-369/2007 vom 15. November 2007. Zit. nach Schwei
zerische Juristenzeitung (SJZ) 104 (2008) Nr. 5, S. 119-121.
295) Angehrn, S. 274; Sadoghi, S. 256-260; Grube, S. 66.
296) Vgl. dazu: Ehrenamtliche Richter, S. 221-223; Kross, S. 19-68.