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unterschätzendem Wert, lagerten in diesem Archiv
doch Schriftstücke unterschiedlicher Provenienz,
die einen bedeutenden Wert für die Geschichte des
Landes vor allem des 19. Jahrhunderts besitzen.
Viele Jahre hatte die Familie die Geschichte Liech
tensteins durch Persönlichkeiten wie Peter, Anton
oder Josef geprägt. - Neben dieser grossen Arbeit
kam die Berufswahl. Rudolf Rheinberger entschied
sich für das Studium der Medizin. Er stammte aus
einer Familie, aus der einige bedeutende Ärzte her
vorgegangen waren. Im Oktober 1936 immatriku
lierte er sich an der Medizinischen Fakultät der Uni
versität Tübingen. Mit ein Grund für die Wahl dieses
Instituts war der Umstand, dass sein Bruder Hans
Rheinberger in Stuttgart studierte und so die Mög
lichkeit zu gegenseitigen Besuchen gegeben war. In
der Ferien wurden zusammen mit Freunden Fahr
ten vor allem durch Deutschland unternommen, die
ihn bis nach Berlin und Ostpreussen führten. Vor al
lem Königsberg zog ihn an; dieser Stadt blieb er ein
ganzes Semester treu.
Im Wintersemester 1938/39 blieb er wieder in
Tübingen, um sich auf das Physikum vorzubereiten.
Mit drei «gut» schloss er das vorklinische Studium
in Tübingen ab, um sich in München zu immatriku
lieren. München war für ihn fast eine Verpflichtung:
Sein Vater hatte an der Akademie der Künste, der
Grossvater am Polytechnikum gelernt, und der Gross
onkel Josef Gabriel Rheinberger an der Musikschule
studiert und später unterrichtet. Am 18. April 1939
trat er in die Ludwigs-Maximilians-Universität ein.
Neben dem intensiven Studium dienten auch hier
Feiertage und Ferien für Fahrradtouren in die nähe
re oder weitere Umgebung.
Am 1. September 1939 hörte Rudolf Rheinberger
im Krankensaal durch den Rundfunk vom Ausbruch
des Krieges in Polen. - Erst änderte sich nicht viel,
doch dann wurden nach und nach die Auswirkun
gen des Krieges bemerkbar. Universitätsklassen
wurden verlegt oder zusammengefasst, und auch
das Essen wurde einfacher.
Ende Mai 1940 erhielt er das Thema für die Dok
tordissertation. - Am 16. September 1940 begann
das letzte Semester, das vor allem den Examensvor
bereitungen diente.
Da das Angebot an künstlerischen Darbietungen
bis in die erste Zeit des Krieges noch nicht einge
schränkt war und im letzten Semester der Universi
tätsbetrieb eher locker war, lernte Rudolf Rheinber
ger einen grossen Teil der wichtigen musikalischen
Werke und Opern kennen, darunter - und das
machte einen grossen Eindruck auf ihn - das Duo
für zwei Klaviere seines Grossonkels Josef Gabriel
Rheinberger. Daneben waren Besuche in den Kunst
museen angesagt. Besonders aber schloss er seine
Dissertation ab, und am 30. Juni 1940 war der
glückliche Abschluss seiner Universitätszeit.
Nach einem kurzen Zwischenspiel am Kranken
haus Innsbruck erhielt er durch die Reichsärzte
kammer des Innern den Bescheid, dass er 1942 am
Krankenhaus in Friedrichshafen eine Stelle erhal
ten werde. Diese war sehr streng und arbeitsinten
siv; Rudolf Rheinberger profitierte sehr von dieser
neuen Situation, durch die er viel lernen konnte. -
Am 15. Juni 1942 trat eine neue Ärztin eine Stelle im
Krankenhaus an und Rudolf Rheinberger freundete
sich bald mit ihr an. Sie halfen sich gegenseitig, as-
sen miteinander und in der Freizeit machten sie ge
legentlich Spaziergänge. Um diese Zeit begannen sie
mit Autofahrstunden bei einem Herrn Tepe, der
1937 beim Zeppelinunglück in Lakehurst dabei war
und später eine Fahrschule eröffnet hatte.
Im März 1942 hatten die ersten Luftangriffe der
Alliierten in Deutschland begonnen. In Friedrichsha
fen dachte niemand daran, selbst Ziel von Bomben
angriffen zu werden. Am 6. und 7. März 1943 fand die
Hochzeit des Fürsten Franz Josef mit der Gräfin Gina
statt. Rudolf Rheinberger durfte nach Hause fahren.
Anschliessend trat er seinen ersten grösseren Urlaub
an. Da erfolgte am 21. Juni der erste intensivere Luft
angriff auf die Stadt. Der junge Arzt unterbrach sei
nen Urlaub, um sich selbst zu überzeugen, wie es im
Krankenhaus stand. Von da an griff der Krieg immer
mehr nach Friedrichshafen.
Unterdessen hatten Brigitte Ludwig und Rudolf
Rheinberger beschlossen zu heiraten. Am 25. April
1944 fuhr Brigitte Ludwig nach Hause. Drei Nächte
später kam es zu jenem Flächenbombardement, bei
dem fast die ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt
wurde.