kehr noch kaum üblich war, konnten grössere Lohn- auszahlungen und Sozialbeihilfen nicht mehr getä- tigt werden. «Wenn dies nicht geleistet wird, so wer- den wir unruhige Tage sehen», meine Landeshaupt- mannstellvertreter Natter im Landtag.96 Mit dem Notgeld leistete man freilich wiederum einer ver- stärkten Inflation Vorschub. Daher beschwor der Geistliche und Landtagsabgeordnete Barnabas Fink die Bevölkerung, «das richtige Geld wird gemacht, wenn wir durch Arbeit Werte schaffen». Ausserdem gelte es, die innere Sicherheit und Ruhe zu bewah- ren, mit deutlichem Hinweis auf revolutionäre Ten- denzen, denn: «Bei Unruhe sinkt unser Vermögen und unser Geld würde geschädigt werden».97 Auf dem Arbeitsmarkt herrschte während des Krieges Mangel, der auch durch vermehrte Frauen- arbeit kaum kompensiert werden konnte. Männer waren an der Front oder wurden für den Bau von Befestigungswerken, Bahn- und Strassenbauten und für die Rüstungsindustrie herangezogen. Das überraschend schnelle Kriegsende brachte eine Wende: Von den Fronten kehrten Tausende zurück, die Rüstungsbetriebe stellten die Produktion ein, die Textilindustrie und das Gewerbe litten unter Roh- stoff- und Kohlenmangel, dazu kamen die Gebre- chen, Krankheiten und Körperschwächen vieler Soldaten, die kaum in den Arbeitsprozess eingeglie- dert werden konnten. Um die katastrophale Lage in den Griff zu bekommen, wurde im November 1918 die «Industrielle Bezirkskommission» ins Leben ge- rufen, als Aufsichtsbehörde über die gesamte Ar- beitslosenfürsorge. Um die Jahreswende 1918/19 traf die Arbeitslosigkeit in Industrie, Gewerbe und Stickerei an die 10 000 Personen, die Arbeitslosig- keit betrug somit in diesen Branchen an die 25 bis 30 Prozent!98 Das Land griff umgehend in diese Misere ein. Im Dezember beschloss der Landtag eine Reihe von Notstandsarbeiten, die sich auf Regulierungsarbei- 96) 2. La, 9. November 1918, S. 2-5. 97) 2. La, 9. November 1918, S. 5 f. 98) Wolf, S. 110-113.
DIE ANFÄNGE DES SELBSTSTÄNDIGEN VORARLBERG GERHARD WANNER Vorarlberger Notgeld aus dem Jahr 1921. Der vor- liegende 50-Heller-Schein zeigt ein Bild des Feldkir- cher Katzenturms. 83