wiederholt auch auf den Titelseiten. Fasst man die Feststellungen und Vorwürfe zusammen, lassen sich diese auf folgenden Nenner bringen: Sozialdemo- kratie sei mit Judentum identisch, beide strebten die «Vielweiberei» an. Juden seien die «Verderber des Staatseigentums», die wahren Kriegsgewinner und die Schuldigen am militärischen Zusammenbruch. Ihre Machthaber in den Zentralen hätten die «ari- sche Bevölkerung vor allem in den deutschen Alpen- ländern bis aufs Blut ausgesogen». Was das Vorarl- berger Volk ablehne, sei ihre «Autokratie und die Vorherrschaft» in der Wiener Regierung. Nun such- ten sie ihren «Mammon» durch «Revolutionsver- dienste» in Sicherheit zu bringen. Nicht der Kaiser stünde dem neuen Staat im Wege. Wolle man nicht dessen baldigen Zerfall in Kauf nehmen, müsse mit dem «volksfremden, frechen und aufdringlichen Ju- denregiment Schluß gemacht» werden. Die Parole «Los von Wien» sei daher verständlich. Vorarlberg müsse eine möglichst grosse Selbstständigkeit er- langen.87 Die Grossdeutschen unterschieden sich von den Christlichsozialen mit ihren Vorurteilen und Schmä- hungen nur dadurch, dass sie sich als die noch kon- sequenteren Antisemiten und als Rassisten ausga- ben. Die Vorarlberger Sozialdemokraten waren da- gegen nicht in der Lage, etwa das «Rote jüdisch-bol- schewistische Wien» verteidigend, gegen diese Hetzkampagnen etwas zu unternehmen, zu sehr fürchteten sie, Sympathien und Stimmen zu verlie- ren. Nur zaghaft waren ihre Gegenargumente.88
lassen und damit diesen unermessliche Beute über- lassen, abgesehen davon seien Tausende von Kai- serjägern und Kaiserschützen führungslos in Gefan- genschaft geraten. «Es ist ein himmelschreiender Skandal, wie es unsere höheren Kommanden trie- ben, und es ist nur gerecht und billig die Forderung, dass die Verantwortlichen schleunigst in den Ankla- gestand versetzt werden».90 Eine «Stimme aus dem Volk» forderte, dass diesen «Herren» Gehalt und Pension gestrichen würden, ihre Namen sollten ver- öffentlicht und die Schuldigen bestraft werden.91 Die Empörung im Land ging so weit, dass in Vor- arlberg «eine Art Offiziersverfolgung» einsetzte und das «Vorarlberger Volksblatt» beruhigen musste. Man möge doch zwischen den hohen und niederen Offizieren unterscheiden, diese hätten durch Jahre hindurch ihre Pflicht erfüllt.92 Wie weit der Landtag diese Volksempörung teilte, oder nur zur Beruhigung beitragen wollte, ist nicht festzustellen. Auf jeden Fall stellte dieser am 3. De- zember 1918 den Antrag, «dass alle Personen, ohne Rücksicht auf Rang und Stand, der Bestrafung zuge- führt werden, die während des Krieges durch Unfä- higkeit, Feigheit, überhaupt durch Nichterfüllung ihrer Pflichten, dann durch Misshandlung oder durch schlechte Verpflegung der Soldaten, endlich durch Betrügereien oder durch Wucher die Interes- sen des Reiches, der Armee und der Gesamtbevölke- rung gefährdet und geschädigt haben». Es blieb frei- lich bei diesem Antrag. OFFIZIERE Das zweite Feindbild der meisten Vorarlberger wa- ren die hohen Offiziere, im «Vorarlberger Volks- blatt» auch «Goldkrägen» genannt. Ihnen warf man vor, sich während des Krieges in der Etappe «in Da- mengesellschaft, großartiger Verpflegung, Quartier und Sicherheit» vergnügt zu haben, während die Standschützen mit ihren Mannschaften an der Front darbten und starben.89 Nicht genug damit, hätten sie in Südtirol feige und egoistisch vor den anrückenden italienischen Truppen die Front ver- 80