DIE ANFÄNGE DES SELBSTSTÄNDIGEN VORARLBERG GERHARD WANNER nahm im Landtag und in den Gemeinden meist nur die dritte Stelle ein. In den Gemeinden Dornbirn, Bludenz, Hard und Rieden-Vorkloster besassen sie jedoch bedeutende Stimmenanteile.59
60) Weitensfelder, S. 137 f. 61) Nachbauer, S. 169. 62) 3. La, 3. Dezember 1918, S. 48 f., sowie Vogel, S. 5-25. DEUTSCHFREISINNIGE Die Grossdeutschen oder Deutschfreisinnigen, in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts aus den Libe- ralen herausgewachsen,50 waren am Ende der Mo- narchie eine schwache und nur schlecht organisier- te Gruppierung, die während des Krieges kaum Ak- tivitäten zu entfalten vermochte. Zeigten sie sich noch im August 1918 als treue Anhänger des Kaiser- hauses, wandelte sich ihre Einstellung Mitte Okto- ber schlagartig: Sie schworen dem «Gottesgnaden- tum» und selbst einer demokratischen Monarchie ab und strebten einen republikanischen Kurs an.61 Gleichzeitig begannen sie sich von Dornbirn aus zu organisieren und schufen eine einheitliche Partei- gliederung. Am 15. Dezember 1918 beschlossen sie ihr Parteiprogramm. Sie gaben sich antisemitisch, waren für eine klare Trennung von Kirche und Staat, forderten die Verstaatlichung des gesamten Schul- und Bildungswesens und die Gleichheit von Mann und Frau. Abgesehen vom Antisemitismus verfolgten sie somit ähnliche Ziele wie die Sozialde- mokraten und erhofften sich, mit diesen im Landtag ein starkes Gegengewicht gegen die Christlichsozia- len, ja selbst die Übernahme der Macht. Die Zukunft sahen sie im Aufbau eines «deutschen Volksstaates» und dementsprechend in einem Anschluss an «Schwaben» beziehungsweise Deutschland. Im Landtag besass die «Akademiker- und Fabrikanten- partei» ein Fünftel der Stimmen.62 54) Wanner 1983, S. 158-161 55) VW, 8. November 1918. 56) Wanner, 1983, S. 104. 57) VW, 9. November 1918. 58) VW, 28. November 1918. 59) VW, 1. Dezember 1918. 75