Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2009) (108)

ben wurde, sollte die durch die Kriegskosten erhöh- ten Ausgaben ausgleichen. Auch die Schweiz hatte zu diesem Mittel der Geldbeschaffung gegriffen.106 In Österreich waren Steuererhöhungen und die Einführung neuer Steuern zur Sanierung der Staats- fmanzen schon in den früheren Kriegsjahren be- schlossen worden. Gemäss Artikel 2 des Staatsver- trages von 1876, welcher den österreichisch-liech- tensteinischen Zoll- und Steuerverein von 1852 fort- setzte, war Liechtenstein verpflichtet, «die einschlä- gigen österreichischen Gesetze sowie neue Gesetze dieser Art» zu übernehmen.107 Artikel 3 gestand Liechtenstein zu, dass die Erhöhung der Verzeh- rungssteuern oder die Einführung einer neuen sol- chen Steuer «nur im Einverständnisse mit Seiner Durchlaucht erfolgen» werde.108 Wenn kein Einver- ständnis erzielt wurde, so stand es jedem Vertrags- partner zu, den Vertrag zu kündigen. Aufgrund dieser Bestimmungen waren in Liech- tenstein bereits früher Steuererhöhungen einge- führt worden. So kam es seit dem Sommer 1915 zu mehrfachen Erhöhungen des Branntweinsteuerzu- schlages. Das k. u. k. Ministerium des Äussern teilte der fürstlich-liechtensteinischen Hofkanzlei diese kaiserliche Verordnung jeweils mit, von Seiten Liechtensteins erfolgte das Einverständnis des Fürsten. Der Branntweinsteuerzuschlag erhöhte sich so vom Juni 1915 bis zum Mai 1917 von 70 Hel- ler auf zwei Kronen 90 Heller pro Liter.109 Vergleichbare Erhöhungen gab es für die «Bier- steuer» und für die «Zuckerverbrauchsabgabe».110 1916 führte Österreich eine «Zündmittelsteuer» und 1917 eine «Kohlesteuer» ein.1" Die liechtensteini- sche Regierung stellte zwar im Oktober 1916 fest, dass die österreichische Regierung wegen der «aus- serordentlichen Zeitverhältnisse» es übersehen habe, vor der Durchführung der neuen Bestimmun- gen über die Biersteuer und die Zündmittelsteuer in Liechtenstein das Einverständnis des Fürsten ein- zuholen.112 Die Regierung in Vaduz empfahl aber, die nachträgliche Zustimmung zu geben. Imhof be- fürchtete, dass man der österreichischen Regierung sonst «die Handhabe leihen würde, den für das Fürstentum sehr wertvollen Zoll- und Steuervertrag vorzeitig zu kündigen». Zudem erachtete Imhof es 
als Vorteil, wenn der Staatskasse Liechtensteins durch die vorgesehene Steuererhöhung, bezie- hungsweise Neueinführung neue Einkünfte zuflies- sen würden. Der Fürst erteilte seine Zustimmung am 13. Oktober 1916.113 Mit Datum vom 26. Oktober 1916 machte die liechtensteinische Regierung kund, dass die österreichische Zündmittelsteuer auch in Liechtenstein gelte.114 Die Steuer wurde er- hoben auf Zündhölzer, Zündkerzchen, Taschenfeu- erzeuge sowie Tisch- und Wandfeuerzeuge. Der For- derung des k. u. k. Aussenministeriums, dass Liech- tenstein auch die österreichischen Höchstpreise für diese Produkte übernehmen müsse, akzeptierte die liechtensteinische Regierung allerdings nicht.115 Noch im Juni 1919 stimmte der Fürst einer Erhö- hung der Steuer für Bier, Bierwürze, Wein und Wein- most und Branntwein zu. Zudem wurde die Steuer für Schaumwein festgesetzt und eine Steuer für So- dawasser und Limonade eingeführt.116 Der Vorstoss zur Einführung der Kriegsgewinn- steuer in Liechtenstein kam von der Finanzkommis- sion im Landtag vom 31. Dezember 1917.117 Land- tagspräsident Albert Schädler begründete den An- trag mit den bereits bei den grossen Viehverkaufser- lösen erhobenen Umlagegeldern. Schädler meinte, dass das Land auch bei anderen grossen privaten Gewinnmargen, wie etwa beim Verkauf von Most oder Branntwein ins Ausland, eine Umlage erlassen könnte. Die Berechtigung für die Einführung einer Kriegsgewinnsteuer ergab sich für die Finanzkom- mission auch aus dem Umstand, dass die Darle- 106) Zur Deckung der Mobilisationskosten erhob der Bund für die Jahre 1915-1920 eine erste und zur Tilgung der ausserordentlichen Militärausgaben für die Jahre 1939-1946 eine zweite Kriegsgewinn- steuer. Mit dieser Steuer wurde insbesondere der Ertrag von Ge- schäftsbetrieben erfasst. Als steuerbarer Kriegsgewinn galt jeweils der Betrag, um den der Reinertrag eines Steuerjahres den in den Vorkriegsjahren erzielten (durchschnittlichen) Reinertrag überstieg. Die erste Kriegsgewinnsteuer warf insgesamt einen Bruttoertrag von 732 Millionen Franken ab, von dem die Kantone einen Anteil von 62 Millionen Franken erhielten. Der gesamte Bruttoertrag der zweiten Kriegsgewinnsteuer belief sich auf 706 Millionen Franken, wobei der Kantonsanteil diesmal 55 Millionen Franken ausmachte. (Siehe FILS Band 7. Basel, 2007, S. 451-452.) 107) LGB1. 1876/Nr. 3, ausgegeben am 25. Dezember 1876. 108) LGB1. 1876/Nr. 3, Artikel 3. 50
	        

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