DIE URBARE DER GRAFSCHAFT VADUZ DORIS KLEE Datierung Es ist eine Grundbedingung für Aussagen zur Ur- barherstellung, dass der zeitliche Kontext der Er- stellung fixiert wird. Mit der Datierung der beiden Urbare hat sich die Forschung verschiedentlich be- schäftigt, da beide Urbare weder über einen zeitge- nössischen Titel noch über ein Protokoll oder einen Renovationsvermerk verfügen. DAS BRANDISISCHE URBAR Aufgrund einer inhaltlichen Analyse bemerkte Jo- hann Baptist Büchel: «Am wahrscheinlichsten ist es, daß dieses Urbar damals aufgerichtet wurde, als die Grafschaft Vaduz von den Freiherren von Bran- dis auf die Grafen von Sulz überging, also im Jahre 1507».57 Otto Seger wies jedoch 1960 nach, dass sich dieser Herrschaftsübergang über mehrere Jah- re hinzog, nämlich von 1507 bis 1510.58 Georg Ma- lin stützt sich im liechtensteinischen Urkundenbuch im grossen Ganzen auf die Überlegungen Büchels und Segers und datiert das Urbar in den Zeitraum vom 3. Mai 1505 bis zum 14. Juli 1510.59 Zur Eruierung des «terminus post quem», dem frühest möglichen Zeitpunkt der Herstellung, diente Malin der Eintrag unter der Rubrik «Vaduz» betref- fend die Einnahme von 100 Gulden aus dem Hub- amt von Feldkirch. Diesen Betrag setzt er in Ver- bindung mit dem zwischen Maximilian I. und Lud- wig von Brandis vereinbarten Öffnungsvertrag vom 2. Mai 1505 respektive mit dessen Revers vom 3. Mai 1505. Als «terminus ante quem», dem spätesten möglichen Zeitpunkt, wählt Malin die Inbesitznah- me der Herrschaften Vaduz und Schellenberg durch die Grafen von Sulz gemäss dem Kaufbrief vom 14. Juli 1510. Zur Begründung dieser Daten wurden weitere Einträge beigezogen, so diejenigen, in de- nen alt Ammann Luzi Frick, Ammann Abrecht Wolf und Jörg Pergant als Lehensinhaber oder Anstösser genannt wurden.60 Luzi Frick wird 1503 und 1509 als Ammann erwähnt. Ein Frick aus Vaduz, ohne Er- wähnung des Vornamens, wird 1520 und 1536 ge- nannt. Abrecht Wolf wird ebenso wie Luzi Frick für das Jahr 1509 als Ammann erwähnt, daneben aber auch noch in den Jahren 1505, 1510, 1513 und
1516. Beide Namen deuten gemäss Malin auf eine Datierung in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts hin. Der Name Jörg Pergant eignet sich gemäss Ma- lin nicht für eine präzisere Datierung. Ein Jörg Per- gant war 1536/1537 Ammann, ebenso wie ein Nachkomme gleichen Namens 1599. Zudem ver- weist Malin auf die Datierung eines Lehensbriefs von 1509, der im brandisischen Urbar erwähnt ist.61 Als weiteres Indiz für den «terminus post quem» gilt für Malin der Erwerb der im brandisischen Urbar 45) LLA Vaduz, AM 3, S. 37 und 41. 46) Die Randnotiz steht bei der Rubrik «Fron» und lautet: «Diese Schuldigkeit versteht sich nach den vorliegenden Akten und Ge- brauch auf alle Baumaterialien mit Ausschluß des Bauholzes und auf die Gemeinden der oberen Landschaft, dagegen die Gemeinden der unteren Landschaft das Bauholz aus der Bürst zuzuführen haben. Vaduz am 21. mey UJ811. Schuppler». LLA Vaduz, AM 3, S. 18. 47) HALW, HS. Nr. 7. 48) HALW, HS. Nr. 7, S. 23-29. 49) Dies betrifft vor allem auch den Anfang des Urbars mit den Rubriken «Vaducz» und «Reichsgrafschaft». 50) HALW, HS. Nr. 7. S. 72. Ein solches Zurechtschneiden lässt sich auch an anderer Stelle beobachten. Beim Eintrag zur Mühle in Balzers wurden ebenfalls Zeilen weggeschnitten, in denen die Abgabesumme verzeichnet war, vgl. HALW, HS. Nr. 7, S. 95. 51) LLA Vaduz, AM 1, fol. 34v, resp. LUB 1/4, S. 68/397. 52) LUB 1/4, S. 441. 53) Das Urbar konnte in der Lizentiatsarbeit Klee, Urbare, von 1999 noch nicht aufgenommen werden. 54) Diese Gliederung wird sowohl in Abschrift B als auch in Ab- schrift C je einmal durchbrochen: in Abschrift B zu Beginn der Schaaner Lehensgüter (LLA Vaduz. AM 1, fol. 1 7r), in Abschrift C am Ende der Rubrik Vogelrecht (LLA Vaduz, AM 3, S. 114). 55) LLA Vaduz. AM 3. S. 43 integriert den Nachtrag von fol. 20r, LLA Vaduz, AM 1. 56) LLA Vaduz, AM 3, S. 69 integriert den Nachtrag von fol. 31v. LLA Vaduz. AM 1. 57) Büchel, Urbarien (wie Anm. 15), S. 21. 58) Otto Seger: Aus den Zeiten des Herrschaftsüberganges von Brandis zu Sulz und von Sulz zu Hohenems. In: JBL 60 (1960), S. 21-70: hier S. 21-46. 59) Hier und im Folgenden LUB 1/4. S. 316 f. 60) Vgl. beispielsweise LUB 1/4, S. 2/252, 11/259, 12/26 und 113/263. 61) LUB 1/4. S. 55/307 und S. 74/404. 141