Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2009) (108)

DIE GRENZREGION GRAUBÜNDEN AM ENDE DES ERSTEN WELTKRIEGS / MARTIN BUNDI Jugenderziehung»). Der politische Gegensatz «Bür- gerlager-Sozialisten» verschärfte sich nun zuse- hends. Militärdienst - Grenzbesetzung - Grippe Der Bundesrat stellte am 31. Juli 1914 die gesamte Armee auf Pikett. Am folgenden Tag, dem 1. August, erliess er die Allgemeine Mobilmachung. Am 3. Au- gust erteilte die Bundesversammlung dem Bundes- rat unbeschränkte Vollmachten zur Behauptung der Unabhängigkeit und Neutralität, genehmigte das Truppenaufgebot und schritt 
zur Wahl eines Gene- rals. Zur Auswahl standen zwei Oberstkorpskom- mandanten: der Aargauer Ulrich Wille und der Bünd- ner Theophil von Sprecher, beide zwei mit Deutsch- land sympathisierende Kandidaten. Wille obsiegte, worauf Sprecher zum Chef des Generalstabes er- nannt wurde. In dieser Eigenschaft erliess Sprecher u. a. im Mai 1915 «Direktiven» für das Verhalten des Grenz- detachements Graubünden, unmittelbar bevor Ita- lien am 23. Mai 1915 der österreichisch-ungari- schen Monarchie den Krieg erklärte. Die Direktiven sahen eine starke Grenzbesetzung im Dreieck Schweiz-Italien-Österreich vor, das heisst in der Ge- gend des Umbrail- und Stelviopasses. Die dorthin stationierten Truppen sollten, solange zwischen Ita- lien und der Schweiz Friede herrschte, nur die Grenzsicherung gewährleisten; würden aber militä- rische Massnahmen jenseits der Grenze ergriffen und gegen die Schweiz gerichtet, wären entspre- chende Vorkehrungen im Hinblick auf die Abwehr zu treffen. Für die Bündner Truppen wurde der Mili- tärdienst auf dem Umbrail, vor allem während der harten Winter 1915-1917, einer schweren Prüfung ausgesetzt. Dazu kam, wie angemerkt, dass noch keine Erwerbsersatzordnung existierte. Die «Um- brailsoldaten» behaupteten in der Folge zu Recht, dass sie als einzige Schweizer den Krieg an der Haustüre erlebt hätten.3 Seit Mitte 1918 erkrankte ein Teil der Bevölke- rung, darunter zahlreiche Armeeangehörige, an ei- ner 
agressiven Grippe, die bei vielen Angesteckten rasch zu Lungenentzündung, Blutzersetzung und 
zum Tod führte. Die blau verfärbten Gesichtszüge der Erkrankten flössten in der Bevölkerung Schre- cken ein und Hessen sie an die Pest denken. Die Schweiz hatte 1918 verhältnismässig grössere Op- fer an Grippetoten zu beklagen als die kriegsführen- den Länder. Ursprung und Ursachen dieser Epide- mie sind nicht genau bekannt. Die erste Grippewelle im Juli raffte unter den Dienstleistenden schweiz- weit bis zu 35 Tote pro Tag dahin. Die Armee- führung verfügte vorübergehend den Abbruch oder die Schliessung militärischer Schulen. Die zweite Welle fiel im November mit dem Generalstreik zu- sammen. In Graubünden starben an der Grippe 753 Personen, was 26 Prozent aller Verstorbenen des Jahres 1918 ausmachte. Der Anteil der Grippetoten an der Gesamtbevölkerung des Kantons betrug in 3) Quellen, funtaunas, fonti, S. 251. Der Erste Weltkrieg am Umbrail- pass. - Metz, Peter: Geschichte des Kantons Graubünden, Band III. Grenzbesetzung: S. 4 f. 2>os Grippe Spital in ber flodj* unb gau§ljalrung§fd)ule ift eröffnet. 2>as Spital ift ouöfdjliefelirf) 5ur 31ufnaf)me oon ©tippe« hranften bcfttmmt. M1 SDie getten SIerjte finb etfudjt, aKe SInmelbungen für bie Slufnaljme oon ®rtppefran!en an bie SBer= roaltung beS ©rippefpitaleS ju ndjten. SlufnafjmS* bebingungen bie gleiten rote im Stabtfpitale. Dr. ftöti. Die Grippewelle des Jahres 1918 erreichte auch den Kanton Graubünden. Folg- lich wurde im November 1918 in der Churer Koch- und Haushaltungsschule eine separate Spitalabtei- lung für Grippekranke eingerichtet. 115
	        

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