Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

Einleitung FRAGESTELLUNG Betrachtet man die liechtensteinische Bildungsland- schaft, kommt man nicht daran vorbei, die religiö- sen Orden und Kongregationen mit ins Blickfeld zu ziehen. Über Jahrzehnte hinweg leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des Liechtenstei- ner Schulwesens. Vor allem das höhere Schulwesen wurde in Liechtenstein von den religiösen Kongre- gationen dominiert, zahlreiche Schulschwestern waren aber auch an den Volksschulen tätig. Das Zu- sammenspiel von Ordensleuten und den staatlichen Schulbehörden fand erst mit der Abgabe der Trä- gerschaft des Liechtensteinischen Gymnasiums durch die Maristen-Schulbrüder (1981) und mit der Abgabe der Trägerschaft des Instituts St. Elisabeth durch die Kongregation Anbeterinnen des Blutes Christi (1994) ein Ende. Über einen Zeitraum von knapp 60 Jahren behei- matete das Institut St. Elisabeth - geführt von den Schwestern Anbeterinnen des Blutes Christi (ASC) - verschiedene Arten von Schultypen und Ausbil- dungsstufen. Angefangen bei einer Haushaltsschule 1935, übergehend zu einem Mädchengymnasium 1942-1946 und einer Höheren Töchterschule 1946-1973, gaben die Schwestern die Leitung der Schule 1994 mit dem Status einer öffentlichen Real- schule ab. Im Bewusstsein der liechtensteinischen Bevölkerung blieb aber der Schultypus der Höheren Töchterschule - eine Art Handelsschule mit ausge- prägt hauswirtschaftlichen Elementen - haften, der von 1946 bis Anfang der 1970er Jahre bestanden hatte und auf dessen Zeitperiode in diesem Beitrag vornehmlich eingegangen wird.1 Ziel der Lizentiatsarbeit war es, nicht nur einen Beitrag zum liechtensteinischen Bildungswesen zu leisten, indem ein gründücher Einblick in ein für Liechtenstein äusserst wichtiges Bildungsinstitut gewährt wird, sondern zusätzlich auch einen we- sentlichen Beitrag zur Frauen- und Mädchenbil- dungsgeschichte Liechtensteins zu bieten. In Anbe- tracht der Tatsache, dass Mädchen in Liechtenstein erst spät die Möglichkeit eines Gymnasiumsbesuchs im eigenen Land geboten wurde, bot die Höhere Töchterschule des Instituts St. Elisabeth bis Ende 
der 1960er Jahre die einzige in Liechtenstein für Mädchen vorhandene Möglichkeit einer über die Se- kundarstufe hinausgehenden Ausbildung an und die Klosterschule beherbergte bis dahin in einer ge- wissen Weise den weiblichen intellektuellen Über- bau Liechtensteins. Dies führte dazu, dass eine gros- se Anzahl junger Frauen diese katholisch geprägte Schule durchlief. Als einzige bestehende Schule in Liechtenstein, an der Mädchen eine über den Volks- schul- oder Sekundarschulabschluss hinausgehen- de Ausbildung gemessen konnten, konnte sich das Institut eines regen Zulaufs erfreuen. Innerhalb dieses institutionsgeschichtlichen An- satzes sollte im Rahmen der Lizentiatsarbeit er- forscht werden, welchen Stellenwert das Institut St. Elisabeth für das Land Liechtenstein hatte, wie es im katholischen Fürstentum verankert war und wie die Akzeptanz und Unterstützung - finanzieller als auch moralischer Art - von Seiten der Regierung, der Schulbehörden und des Klerus ausgesehen hat. Ziel der Arbeit war aber auch, diesen institutions- geschichtlichen Ansatz mit kultur- und mentalitäts- geschichtlichen Elementen zu verknüpfen. Urs Al- termatt plädierte in seiner vielbeachteten Schrift «Katholizismus und Moderne» Ende der 1980er Jahre für eine vermehrte Zuwendung zur Alltags- und Mentalitätsgeschichte des Katholizismus, bei dem sich der Historiker dem katholischen Alltagsle- ben von unten her nähert und das Augenmerk auf den Durchschnittskatholiken legt.2 In der Freibur- ger Katholizismusforschung haben sich seither die Arbeiten vermehrt der katholischen Lebenswelt, Frömmigkeitsriten oder der Identitätskonstruktion und -bewahrung innerhalb des katholischen Milieus gewidmet.3 Auch die Erforschung religiöser Kongregationen und Orden in der Schweiz basierte bis in die jüngste Zeit hauptsächlich auf institutionsgeschichtlichen Ansätzen.4 Im Zusammenhang mit Fragestellungen, die im Rahmen einer Mentalitäts- und Kulturge- schichte in den Blickpunkt rücken - wie beispiels- weise die Frage nach der identitätsbildenden Rolle von Kongregationen oder die Frage, welche Rolle die religiösen Kongregationen und Orden in der Er- haltung der katholischen Identität mitgespielt ha- 4
	        

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