Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

BESTÜNDE DIESE SCHULE NICHT, MÜSSTE SIE GESCHAFFEN WERDEN / MARTINA SOCHIN Land nahmen auch die finanziellen Beiträge der staatlichen Behörden ab den 1950er Jahren zu. Der Schulhausneubau 1956/57 wurde grosszügig unter- stützt, wie auch ein Erweiterungsbau rund zehn Jahre später. Diese finanziellen Beihilfen entspran- gen aber nicht nur rein wohltätiger Einstellung der Kongregation und der Schule gegenüber: Die Land- tagsabgeordneten, die den Subventionen zustimm- ten, hatten den Wert der Schule für die Bildungs- landschaft Liechtensteins erkannt und sahen darü- ber hinaus die kostengünstige Möglichkeit für den Staat, den Mädchen des Landes diese Art von Schul- bildung zu ermöglichen. Hätte das Land Liechten- stein eine Schule, wie es die Höhere Töchterschule war, selbst finanzieren müssen, so wäre das um etli- ches teurer gewesen. Diese finanzielle Unterstüt- zung leistete das Land Liechtenstein aus Überzeu- gung und die Landtagsabgeordneten versäumten es nicht, wiederholt auf den Gehalt der Bildungsinsti- tution St. Elisabeth hinzuweisen. Das Frauenideal, das den Mädchen am Institut St. Elisabeth näher gebracht wurde, kann als kohä- rent mit dem in katholischen Kreisen propagierten Frauenbild angesehen werden.260 Die Schwestern am Institut blieben insofern den katholischen Prin- zipien treu. Das Wesen einer Frau wurde ganz den Lehren von Papst Pius XL entsprechend auf den häuslichen Bereich festgeschrieben.261 Das an der Höheren Töchterschule zum Tragen kommende Konzept einer fundierten Ausbildung für die liechtensteinischen Büros und eines minde- stens ebenso umfassenden Unterrichts in hauswirt- schaftlichen Fragen war auf das Liechtenstein der Nachkriegszeit zugeschnitten. Die Schwestern am Institut vermittelten ein Welt- und Frauenbild, das demjenigen, das in katholischen Kreisen als grund- sätzlich geltend betrachtet wurde, vollständig ent- sprach. Obwohl die Schülerinnen eine ausgezeich- nete Ausbildung genossen, die sie auf den Beruf der Sekretärin vorbereitete, sah man ihr späteres Wir- ken in erster Linie im Bereich der Familie.262 Das letzte Jahr der Höheren Töchterschule galt dement- sprechend vor allem den hauswirtschaftlichen Fä- chern wie Kochen, Ernährungslehre sowie Kinder- und Krankenpflege. Den Mädchen wurde das Ideal-bild 
einer Hausfrau und Mutter näher gebracht, die stets aufopferungsvoll und hilfsbereit für ihre Kin- der da sein und ihrem Ehegatten dienen sollte. Auch das religiös-sittliche Verhalten hatte eine gute Mut- ter an ihre Kinder weiterzugeben und sie zu ordent- lichen Katholiken zu erziehen. Obwohl die Schüle- rinnen an der Höheren Töchterschule für einen zukünftigen Beruf ausgebildet wurden, sollte diese Berufstätigkeit mit der Geburt des ersten Kindes ein Ende finden. Berufstätigkeit und Mutterschaft schlössen sich aus. In katholischen Kreisen führte die verstärkte Einbindung der Frauen in das Er- werbsleben zu Konflikten mit dem vorherrschenden Frauen- und Familienideal.263 Der spätere Nach- wuchs der Schülerinnen des Instituts sollte jedoch gebildete Mütter haben, die keineswegs «Dummer- chen» waren und in den verschiedensten Gebieten wie beispielsweise der deutschen Literatur Kennt- nisse vorweisen konnten. Die Schwestern am Institut St. Elisabeth standen mit dem von ihnen vermittelten Frauenbild nicht al- leine da. Sie fügten sich damit nahtlos in die Gesell- schaft Liechtensteins ein. Auch hier hatte sich das bürgerliche Familienideal einer aufopferungsvol- len, liebevollen und in den Bedürfnissen der Familie 258) Interview mit Guido Wolfinger, einem ehemaligen Lehrer an der Mädchcnroalschule St. Elisabeth und heutigem Sehulamtsleiter. vom 20. Juni 2006, ebenso das Interview mit Sr. Mathild vom 28. Septem- ber 2006. 259) Interview mit Frau L. vom 20. Mai 2006. 260) Siehe zum in katholischen Kreisen propagierten Frauenbild: He- diger, Das Bild der Schweizer Frau in Schweizer Zeitschriften; Hu- wyler-Bachmann, Die katholische Mutter der Stadt Luzern zwischen 1930 und 1945; Marthaler, Die Frauenrolle und das Bild der Frau in der Schweiz der langen 50cr Jahre; Mutter. Frauenbild und politisches Bewusstsein im Schweizerischen Katholischen Frauenbund. 261) Zu den Lehren von Papst Pius XL siehe: Papst Pius XL: Die Enzyk- lika Casti connubii. Über die Hoheit und Würde der reinen Ehe. Au- thentische deutsche Übersetzung. Luzern, 1945, S. 33-34. 262) In katholischen Kreisen wurde das Wesen der Frau über die Mut- terschaft definiert und ihr Zuständigkeitsbereich wurde auf das häus- liche Leben beschränkt, während dem Mann die Öffentlichkeit zustand. Siehe dazu beispielsweise: Wagner, Die himmlische Frau. S. 277. 263) Vgl. Rölli-Alkemper. Familie im Wiederaufbau, S. 106-107. 63
	        

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