Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

BESTÜNDE DIESE SCHULE NICHT, MÜSSTE SIE GESCHAFFEN WERDEN / MARTINA SOCHIN gung der verschiedensten Materialien wie Silber, Glas, Chromstahl etc. Die moderne Küche sollte da- rüber hinaus vor allem praktisch eingeteilt und ein- gerichtet sein, um eine gewisse Effizienz in den Ta- gesablauf der Hausfrau zu bringen. Die Reinigung beinhaltete selbstverständlich auch das Waschen der Kleider, das je nach Stoffart in aller Einzelheit erklärt wurde. Auch die Körperpflege und die passende Klei- dung waren Themen des Unterrichts, denn der «Körper ist ein Geschenk Gottes, wir sind verpflich- tet ihn zu pflegen».140 Ihre Kleidung hatten die Mäd- chen «ihrer Natur entsprechend» zu wählen, und an verschiedenen Beispielen erläuterte die Lehrerin den Schülerinnen die dazu passende Kleidung. Das Tragen von Hosen war ausser für den Wandertag auch Ende der 1960er Jahre noch nicht vorgese- hen,141 die sportliche Ertüchtigung hingegen schon. Dabei wurde aber unterschieden, welche Sportar- ten für Frauen, welche für Männer und welche für beide Geschlechter geeignet waren. So bezeichne- ten die Schwestern Fussball, Rudern, Boxen und Fechten als ausschliesslichen Männersport. Gym- nastik war für die Frauen bestimmt. Im Skilaufen, Schlittschuhfahren, Tennisspielen, Wandern und Reiten durften sich sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht vergnügen. Die sportliche Betätigung sollte zur Unterstützung der eigenen Ge- sundheit dienen und war im gemässigten Rahmen zu halten, denn es galt, die Gefahren des Sportes zu bedenken, die da waren: Rekordsucht, Geltungs- drang, Ruhmsucht und Geldverschwendung.142 Da die Wohnung beziehungsweise das Haus nicht nur innen, sondern auch nach aussen etwas darstel- len sollte, fand das Fach Gartenbau Eingang in die Hauswirtschaft. Ein eigener Garten hatte den Vor- teil, stets frisches Gemüse und Obst zu haben, Geld sparen zu können und ein bisschen Abwechslung in den Alltag der Hausfrau zu bringen. Die Mädchen standen den Gärtnerlehrlingen wohl in nichts nach. Äusserst ausführlich brachte die Hauswirtschafts- lehrerin ihnen den Garten und das dazu notwendige Wissen näher. Als Zusatz zum wöchentlichen Kochunterricht an der Höheren Töchterschule hatten die Schülerinnen 
Ernährungslehre; denn das Essen, das eine Haus- frau und Mutter ihrer Familie zu kochen hatte, sollte nicht nur gut schmecken, sondern auch gesund sein. So lernten die Institutsschülerinnen Einzelheiten über den Aufbau von Eiweissen, Kohlenhydraten und Fetten. Man sagte ihnen dabei auch, was genau gesund ist und was nicht. Nicht zuletzt galt der Nachwuchs als höchstes Glück einer zufriedenen Ehe. Den jungen Frauen am Institut wurde nochmals klargemacht, was Mutter- sein bedeutete: «Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes von unschätzbarem Wert, das ihr [der Mutter] an- vertraut wird. Die Mutter soll nie vergessen, dass sie eine grosse Verantwortung trägt. Über eine gute und pflichttreue Mutter geht nichts in der Welt.»143 Die zukünftige Mutter sollte sich ohne Probleme in jeder Lage zurechtfinden können, angefangen bei der Schwangerschaft. Nichts wurde ausgelassen: Tipps zum morgendlichen Erbrechen in der ersten Zeit der Schwangerschaft, die Berechnung des genauen Geburtstermins und die organisatorische Vorberei- tung auf die Geburt des Kindes, inklusive Kaufemp- fehlung zum Wickeltisch. War das Kind dann erst- mal auf der Welt, musste es richtig ernährt und ge- pflegt werden. Nicht vergessen wurde von Seiten der Schwestern die mahnenden und appellierenden Worte. Empfängnisverhütung war nur in Form von Enthaltsamkeit erlaubt. Jede andere Methode lehn- ten sie ab und liessen das ihre Schülerinnen auch 140) Ebenda. 141) Zur Kulturgeschichte der weiblichen Hose siehe beispielsweise Gundula Wolter: Hosen, weiblich. Kulturgeschichte der Frauenhose. Marburg. 1994. 142) Regula Wind hat in ihrer Lizentiatsarbeit den für Frauen vorgese- henen Zweck des Turnens beschrieben, die die genannten Erläuterun- gen bestätigen. Siehe Regula Wind: «Katholische Körperkultur für die Frau». Die katholische Turnerinnenbewegung der Schweiz im Wandel der Zeit. Eine organisations- und montalitätsgeschichtliche Studie zum Schweizerischen Verband Katholischer Turnerinnen zwischen 1931 und 1973. Unpublizierte Lizentiatsarbeit. Freiburg, 2006. 143) Hauswirtschaftsordner von Frau L. aus den 1960er Jahren. Kapi- tel Säuglingspflege. 35
	        

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