Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

sehen Konzils (1962-1965) verfolgten die Schwes- tern vom Institut St. Elisabeth mit ihren Schützlin- gen im Kino von Schaan mit.125 Das Thema Glau- benskrise fand Ende der 1960er Jahre Eingang in den Unterricht. Unter dem Titel «Wer nicht glaubt ...» schrieben die Mädchen ein Diktat zu dieser The- matik, welches zum Schluss kam, dass der Papst der momentanen Glaubenskrise durch eine Glaubens- erneuerung entgegenwirke. Der Appell an die Schü- lerinnen blieb nicht aus: «Der Papst wünscht, dass man in allen christlichen Familien, Pfarreien und Diözesen täglich um den Glauben bete. Das Gebet ist die einzige Medizin, die Glaubenskrise unserer Zeit zu überwinden. ... Aber Seelen für die Ewigkeit zu retten, ist unendlich grösser und mehr. Und gerade das erwartet Gott, erwartet die Gottesmutter und der Papst von uns allen.»126 In Bezug auf das in den Aufsätzen und Diktaten vermittelte Frauenbild kann über den Zeitraum von knapp zwanzig Jahren kein allzu grosser Wandel festgestellt werden. In den 1950er Jahren beschrieb Frau G. in einem Diktat unter dem Titel «Eine Frau ist so schön, wie sie mütterlich ist»127 die «heilige Sendung und Verantwortung»128 der Frauen und Mütter. Der Text legt unmissverständlich dar, dass die Schwestern noch nicht im Zeitalter der Gleichbe- rechtigung von Mann und Frau angekommen waren und auf die natürlich gegebenen Unterschiede von Mann und Frau pochten. In der Optik des gesell- schaftlichen Zeitgeistes Liechtensteins widersprach dies in keiner Weise den herrschenden Verhältnis- sen. Bis zur politischen Gleichstellung von Mann und Frau sollte es in Liechtenstein noch rund 30 Jahre dauern.129 Den Mädchen predigte man über das Diktat die folgenden Worte: «So begreiflich es ist, dass die Frau in Notwehr gegen falsche Bewer- tung nach Gerechtigkeit strebte, so schmerzlich muss es empfunden werden, dass ihre Forderung nach Gleichberechtigung bis in den Raum der Ehe u. Familie hineinzudringen droht.»130 Legten die Schwestern der ASC-Kongregation in den folgenden Jahren viel Wert auf die Gleichstellung der Frau im öffentlichen Raum und legten das den Schülerinnen auch nahe,131 so blieb das Frauenbild, das eine gute Frau und Mutter im eigenen Heim erfüllen sollte, 
altmodisch und konservativ. In einzelnen Texten, die die Schwestern ihren Schülerinnen diktierten, ver- glichen sie das Frausein mit der Muttergottes Maria. Eine Frau hatte dem Ebenbild Marias so ähnlich wie möglich zu kommen: «Für uns ist die Frau der Mensch, der in sich die höchste Eignung hat, die Fülle der religiösen Weisheit zu erfahren. Wenn sie dieser in Weisheit folgt, dann macht sie sich selbst, und erhöht sich selbst zum echtesten Ausdruck wahrer Weiblichkeit. Eine Frau, die so singt und be- tet, strebt und weint, scheint von Natur aus jener einzigartigen und höchsten Gestalt ähnlich zu sein, die makellos und schmerzensreich ist, Maria.»132 Diese Feststellung entspricht den Schlussfolge- rungen, die Marion Wagner in ihrem Buch zum Ma- rien- und Frauenbild in dogmatischen Handbü- chern des 19. und 20. Jahrhunderts dargestellt hat. Seit dem 19. Jahrhundert verstärkte sich die Ten- denz, Maria als die vollkommene Mutter und als Ide- al der Weiblichkeit aufzufassen. Die Idealisierung Marias charakterisiert Marion Wagner als eine Ent- rückung in die Sphäre der Gottähnlichkeit, in der Maria zu einem Muster menschlicher Tugenden wird, das nicht mehr Mensch und noch viel weniger Frau ist.133 Die grösste Erfüllung einer Frau lag im Muttersein, denn das «Mutteramt gehört zu den se- gensreichsten Aufgaben, die Gott in seinen Weltplan hineingebaut hat».134 Auch auf die Bindung an Heim und Herd wurde in den Unterrichtsmaterialien Ende der 1960er Jahre noch ein Loblied gesungen: «Der vielseitigste Beruf, den wir kennen, ist wohl Hausfrau sein, denn er schliesst ja praktisch alle Be- rufe ein.»135 Als die Schülerin in ihrem Aufsatz je- doch von der modernen Hausfrau sprach, die nicht nur den ganzen Tag den «Boden schruppen» und den «Herd polieren» muss, sondern sich ab und zu auch ein bisschen Freizeit gönnen kann, wurde dies von der Lehrerin als nicht gut befunden. Die eman- zipierten Gedanken der Institutsschülerin, dass eine Hausfrau bei Krankheit auch mal durch ihren Mann ersetzt werden kann, wurden noch angenommen. Die von der Schülerin in Betracht gezogene Möglich- keit, den Mann als Hausmann zu Hause zu lassen und die Frau ins Erwerbsleben zu schicken, brachte ihr dann Punkteabzug und eine schlechtere Note.135 30
	        

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