Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2008) (107)

LIECHTENSTEIN IN ALTEN SCHILDERUNGEN NORBERT W. HASLER DAS GASTHAUS LIEFERT EINEN TROG FÜR DIE WÄSCHE DER GÄSTE Es war nach 12 Uhr mittags, als ich das Kurhaus auf der Sücka erreichte. Mein vorhergehender Besuch fand an einem Tag statt, als ein Versteckspiel mit dem Nebel und dem Regen stattfand. Ich betrat den Innenhof der Scheune, wusch mein Gesicht beim Trog und stieg die Treppe empor zur Freiluftterras- se, auf welcher das Essen serviert wurde. Was für ein freudiger Gruss! «Sie sind zurück ge- kommen», sagte die Wirtin, «und dieses Mal ist wirklich prächtiges Wetter». Nach siebenstündigem Aufstieg empfand ich diese Freundlichkeit wie einen köstlichen und seltenen Wein. Persönliche Zuwen- dung versüsst das Essen ebenso wie das Leben, und für ein Bergkurhaus in Liechtenstein ist diese Freundlichkeit schon fast selbstverständlich. Als ich mich Steg näherte, da bemerkte ich, dass die vermutete ebene Fläche des Polofeldes in Wahr- heit ein hügeliges Gelände war. Von der Anhöhe aus betrachtet, hatte dieses Gelände wirklich wie eine Grasebene ausgeschaut. Eine andere Beobachtung bestätigte sich indes: Von fern und nah zeigte sich der Rand dieses Geländes steil abfallend in Richtung Fluss, überraschte dabei aber mit vielen sma- ragdgrünen Senken. An der Stelle, bei welcher der klare Malbunbach in das Tal hereinstürzt, verschliesst eine winzige, weiss getünchte Kapelle beinahe den schmalen Durchgang. Die nächste halbe Meile aufwärts folgt der Bachlauf einem lieblichen Tal, dessen Kombina- tion aus Felsbrocken, Wasserfällen, samtgrünen Landflecken und dichten Wäldern besonders char- mant ist. Nach einer Weile geht es nach rechts und man er- reicht das Kurhaus im Malbun, ein riesiges rotbrau- nes Chalet, das isoliert in einem weiten Amphithea- ter steht. Diese Landschaft eignet sich herrlich für den Wintersport. Darüber hinaus erstreckt sich eine Grasfläche wie die Form einer Untertasse, ohne Bäume, jedoch punktiert mit Heuhütten und Ställen. Ein kurzer Aufstieg führt den Wanderer in Richtung Österreich. Es war nun bereits drei Uhr nachmit- tags, und es stand meine Rückkehr ins Tal hinunter 
bevor: Zehn Meilen Zickzackstrasse führten hinun- ter, hinauf und schliesslich wieder hinunter nach Vaduz. Als ich wieder bei der Sücka vorbeikam, begegne- te ich der Vieherde, die soeben mit Glockengebimmel von den Weidehügeln herunter kam. Es handelte sich hier um Kühe aus Triesenberg oder gar aus dem Tal unten, die zwischen Juni und September auf Wei- den im Saminatal grasten und in den Ställen von Bargella und Sücka untergebracht waren. Die Milch wird täglich über den Pass hinunterge- bracht, bis Triesenberg oder sogar ins Tal. Nur bis Triesenberg ist die Milch eineinhalb Stunden unter- wegs. Weiteres Vieh grast beim Älple, auf Gapfahl und in der Valüna, aber es ist zu weit, um von hier aus die Milch ins Tal hinunter zu schicken. Folglich wird die Milch vor Ort zu Butter und Käse verarbei- tet. Während die Kühe fressen und ihre tägliche Milch geben, kümmern sich die Triesenberger um ihre Gärten und ernten ihr Heu. Die Tatsache, dass ich diese Route schon einmal gegangen war, kam mir auf dem Rückweg zugute. Nur ein unbedeutender Aufstieg brachte mich zum Tunnel; von dort aus lag ein Weg vor mir, der prak- tisch nur noch abwärts führte. So stieg in mir das freudige Gefühl auf, etwas geleistet zu haben und es erwartete mich ein vertrauter Pfad, auf dem ich an heimeligen Plätzen Rast machte, währenddem die Schatten der Föhren sich langsam entlang den östli- chen Abhängen hinunter bewegten. Das müde Herumkriechen entlang dem wunder- baren Weg hinüber nach Gaflei belebte indes meine Sinne von neuem. Niemals zuvor hatte ich ein so schönes und klares Licht gesehen. Selten noch hat- ten mich solche charmanten Ausblicke wie hier auf dem Weg nach Gaflei erfreut. Nicht der Hauch eines Schleiers, welche den Rhein beinahe überdeckte, hatte die höheren Ge- birgshänge erreicht. Zwar war das rote Ziegeldach der Balzner Gedächtniskirche gnädig eingehüllt in Nebelschwaden, aber man konnte bei den näher ge- legenen Llütten und Scheunen praktisch jeden der schweren Steine zählen, welche die dicken Schin- deln auf deren Dächern befestigten. 235
	        

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