Titel und Plakate als circensisches Vergnügen - sie wollen Rampenlicht, kein Nachprogramm. Und das um jeden Preis. Ohne Frage, das Museum ändert sich, ist politi- siert, ökonomisiert und wird mit Vorsatz mehr und mehr einer sichtbaren Auffälligkeit unterworfen. Längst sind Schamgrenzen im Verhältnis von Ge- genstand und Botschaft, Inhalt und Verpackung, von Anlass und Wirkung überschritten. Natürlich, auch das Museum «soll schöner» werden. Nur wieweit zeitgemäss angesichts eines Museumsguts, das sei- ne eigenen Gesetze, seine eigene Anschauung und seine geistigen Werte hat, die angemessen zu ent- hüllen, nicht aber marktschreierisch neu zu verhül- len jede Art von Vermittlung zum Ziele haben muss? Das Museum als Ort der Werbung? Gewiss, aber nur aus der Souveränität des Wissens um die Objekte heraus und in deren Dienst, keinesfalls als Selbst- zweck, wie es vielerorts modisch, gar billig ist. Verantwortung gegenüber dem ihm anvertrauten Gut, aber auch gegenüber dem Besucher, dem es nicht selten an den Vorkenntnissen fehlt, und der deshalb willig allem und jedem folgt - wenn das nur noch mit Duftmarken und Designerschleifen geht, gleich, was an Inhalt ist, dann gilt McLuhan in der bekannten, primitiviert verkürzten Form: «the me- dium ist the message». Das aber wäre Gleichschal- tung total. Einer solchen ist aber nichts ferner als die Kunst. Dieser jedoch sollte das Museum nach wie vor Rechnung tragen. Was kann man tun? Die zur Zeit so wenig belieb- ten fundamentalen Aufgaben: das Sichten, Sichern und Wissen um die Objekte, müssen
wieder vor dem Vermitteln und dessen Spielarten der Performance kommen. Nicht der schnelllebige, politik- und me- diengefällige Verzehr und Ausverkauf von Werten, im übertragenen und auch ganz konkreten Sinn, wenn man die jüngsten Debatten zum Umgang mit Kulturgütern von Krefeld bis Stuttgart verfolgt und bedauerlicherweise selbst Aspekte des Restitutions- geschehens mit einbeziehen muss, darf Massstab des Handelns sein. Die vielfach beschworene Besu- cherfreundlichkeit, das dem Publikum oft bloss un- tergeschobene kulinarische Bedürfnis zwecks Eva- luierung des Museums dienen auch als Alibi und
lenken dann von Wesentlichem ab. Noch immer lie- gen z.B. in vielen Museen keine Kataloge der Be- stände vor, die diesen Namen auch verdienen. Dabei macht die sorgsam bewahrte und in Wort und Bild dokumentierte materielle Kultur schliesslich das A und 0 des Überlebens und Überlieferns aus. Dazu gehört auch, dass Museen möglichst «barrierefrei» - so sagt man heute - zugänglich, wirklich öffentlich sind, und nicht die ideellen Schwellenängste von einst, denn die gibt es kaum mehr, durch materielle Schwellenängste ersetzt, indem man die Eintritts- preise immer höher schraubt. Das Gegenteil sollte sein, Haushaltszwänge hin oder her. Und wenn Politiker trotz Fensterreden oftmals nicht mehr zu verstehen scheinen, was Wissen als Wissenschaft notwendig macht, so hat doch das Mu- seum eine Basis in seinen Grundaufgaben, nicht in der Peripherie. Bei der ökonomisierten Naturwis- senschaft und Technologie spricht man permanent von Forschung, weckt öffentliches Bewusstsein und renommiert damit - warum hier nicht ebenso? Auch hier gibt es neue Wissensgebiete, Themenfel- der und Thesen, die es zu erschliessen gilt, und die man nicht durch falsch verstandene «Schmackhaf- tigkeit» vernutzen, gar entwerten sollte. Die Mehrzahl unserer Sammlungen und Ausstel- lungen, die einschlägigen Verbände von Fach und Beruf, selbst diesbezügliche Spartenpolitiker beken- nen sich nach wie vor zu den klassischen Grundauf- gaben des Sammeins, Sicherns und Forschens ne- ben dem Vermitteln. Angesichts der umsatzgeleite- ten Animations-, Spass- und Eventindustrie gilt es, das Wissen von Wert und Schönheit dieser Kernauf- gaben offensiver denn je und mit dem Mut, auch ge- gen den Strom zu schwimmen, in die Öffentlichkeit zu tragen. Alle reden vom Klimawandel - das gilt auch für Kunst und Kultur. 178