Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

Theaterabteilung des Polizeipräsidiums erneut «we- gen Unzuverlässigkeit zurückgewiesen».100 Von da an nannten sich Fritz und Alfred Schaie «Rotter», hatten aber in Oberregierungsrat von Glasenapp immer noch ihren unversöhnlichsten Gegner.101 Möglicherweise gab dieses ernüchternde Erlebnis mit der Sphäre des Politischen auch den Ausschlag, dass Fritz und Alfred Rotter fortan nie mehr zu politischen Argumentationen griffen und selbst nach der verfassungswidrigen Absetzung der preussischen SPD-Regierung unter Otto Braun durch Franz von Papen im Juli 1932 präventiv er- klärten, «dass sie auch unter dem neuen Regime nur gute Kunst und gute Unterhaltung bieten wür- den».102 Aber auch der Präsident der «Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger», Gustav Rickelt, war im Februar 1919 einseitig gegen Fritz Rotter gewesen. Die «Genossenschaft» galt zwar als sozi- aldemokratisch und Rickelt als links - «in den schönen kurzen Novembertagen schimmerten Sie jedenfalls rot», sagte später, 1924, ein Kritiker103 -, trotzdem meldete auch Rickelt in der Konzessions- frage «Bedenken» an und sprach Fritz Rotter die «finanzielle und moralische Zuverlässigkeit» ab.'04 Es schien Fritz und Alfred Rotter am Trianon- Theater - und dann auch im Residenz-Theater - nichts zu nützen, dass sie unter dem ihnen gewoge- nen Direktor Arnim wie vor dem Krieg wieder ganz ernsthafte Bühnenarbeit leisteten. Wegen andau- ernder - zum Teil, wie vermutet werden muss, auch nur vorgeschobener - Klagen der Bühnengenossen- schaft kündigte Oberregierungsrat von Glasenapp am 11. April 1919 die zwangsweise Schliessung des Trianon-Theater an.105 Doch dann meldete sich das von Arbeitslosigkeit bedrohte Ensemble in einer Unterschriftensammlung zu Wort.106 In einem überraschenden Umschwung wurde darauf dem Trianon-Ensemble eine «Notkonzessi- on» für einen «von ihm präsentierten Vertrauens- mann» erteilt, worauf dieses Ensemble «als Ver- trauensmann des Personales Herr Alfred Rotter» präsentierte.107 Bislang hatte der jüngere Fritz als Regisseur im Vordergrund gestanden, nun nahm der ältere Alfred gegen aussen den Platz des an-scheinend 
nicht mehr durchsetzbaren Bruders ein. Wie sehr sich das Brüderpaar ergänzte, hatte der ehemalige Direktor des kurzlebigen «Deutschen Schauspielhauses» in den Worten ausgedrückt, er könne «nicht sagen, dass einer der beiden Brüder stark unter dem Einfluss des anderen gestanden hätte».108 Am 30. Dezember 1920 erlangte Alfred Rotter auch die Spielerlaubnis für das «Residenz- Theater», das er inzwischen hatte erwerben kön- nen.109 Das «Zentral-Theater» konnte er am 1. Sep- tember 1922110 übernehmen. 1923 wurde Alfred Rotter als Direktionsstellvertreter eines anderen Konzessionärs auch mitverantwortlich für den Spielplan des «Kleinen Theaters».111 GESTOPPTER AUFSTIEG 1924 Es gibt eine verbreitete Vorstellung vom lasziven Berlin der späten 1920er Jahre, die eng mit dem Film «Der blaue Engel» (1931; von Josef von Stern- berg mit Marlene Dietrich) verbunden ist, aber nur schwer zum Berlin der Jahre um 1923/24 passen will (obwohl Heinrich Manns in Lübeck spielende Romanvorlage aus dem Jahr 1905 stammt). Als die Rotter 1923/24 dicht hintereinander drei zugkräfti- gen Stücke - Komödien mit je einer männerverzeh- renden Frau in der Hauptrolle - auf die Bühne brachten, «Lissy die Kokotte» («Kindern unter 16 Jahren der Eintritt verboten»112), «Joujou» (Auto- ren: Max Kempner-Hochstaedt und Franz Corneli- us) und «Eine galante Nacht» (Autor: Hans Bach- witz), lief die Theaterkritik beinahe Amok gegen die Brüder Rotter. «Eine galante Nacht» ging da- nach aber laut Aussage des Autors «über alle Büh- nen Deutschlands und fast des gesamten Aus- lands».113 Völlig vergessen ging das anspruchsvolle übrige Programm:114 Fulda, Schnitzler, Haupt- mann, Wedekind und sogar «Der deutsche Hinke- mann» des Autors Ernst Toller, der eben erst fünf Jahre Festungshaft wegen Beteiligung an der Münch- ner Räteregierung hinter sich hatte.115 Als Alfred Rotter 1924 den Antrag stellte, dass seine Spielkonzession vom «Residenz Theater» auf das «Lessing Theater» übertragen werde, das er 92
	        

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