Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

gern» gekommen und «vermieden» worden, «dass wertvolle Aktiva des Konzerns verlorengehen».42 Die Sorge vor der auf den Strassen unüberseh- baren nationalsozialistischen Bewegung, die der Anwalt der Opferfamilie, Wladimir Rosenbaum, nachträglich als den eigentlichen Grund der Ein- bürgerung 1931 in Liechtenstein bezeichnete,43 mag einer der Gründe des Untertauchens im Janu- ar 1933 gewesen sein. Der eigentliche Grund zu diesem erklärungsbedürftigen Verhalten ist meiner Ansicht aber in den Erfahrungen der Gebrüder Rotter während des Ersten Weltkriegs und der frühen 1920er Jahre zu suchen. HÖHEPUNKTE UND ERSTER TIEFPUNKT: 1908 BIS 1914/1918 Fritz und Alfred Schaie nahmen nämlich erst An- fang 1919 den Bühnennamen Rotter an. Die Familie Schaie hatte seit Generationen in Deutschland ge- lebt. Die Eltern von Fritz und Alfred Schaie waren schon 1890 von Leipzig nach Berlin übersiedelt. Fritz (geboren 9. September 1888) war damals zwei, Al- fred (geboren 14. November 1886) vier Jahre alt ge- wesen. Als junger Student des Rechts und der Kunst- geschichte hatte Fritz Schaie 1908 die «Akademische Bühne» begründet, zusammen mit seinem Bruder Alfred. Die Spielorte mieteten sie an: Lessing-Thea- ter, Hebbel-Theater, Neues Königliches Opern-Thea- ter (genannt Kroll-Oper) und das Deutsche Theater. Zur Aufführung brachten sie, wie Fritz Rotter 1917 in einem Lebenslauf44 schrieb, «eine große Zahl von Ur- und Erst-Aufführungen», u.a. Strindbergs «Os- tern» und «Scheiterhaufen» und Frank Wedekinds «Die junge Welt», aber auch «Elektra» von Sopho- kles, Shakespeare und deutsche Klassiker. Ihr wohl- habender Vater, ein Kaufmann, der nun als Rentier lebte, unterstützte sie in ihrer Leidenschaft. 1910 wurde Fritz Schaie «Mitinhaber des Neuen Königli- chen Opern-Theaters» (Kroll-Oper). Ein Zeuge, Adolf Lantz, sagte 1918, «dass beide», Fritz und Alfred Schaie, «bei Kroll ein gemeinsames gutgehendes Un- ternehmen hatten.»45 Von September 1912 an be- gannen sie in der neu auf «Deutsches Schauspiel-haus» 
umbenannten ehemaligen «Komischen Oper» zu arbeiten - an der Friedrichstrasse 104/ 104a, direkt an der Weidammer-Brücke über die Spree, in einem Gebäude, das nicht mehr exi- stiert.46 Fritz Schaie schrieb in seinem Lebenslauf von 1917: «1912 wurde ich erster Regisseur des Deutschen Schauspielhauses.»47 Alfred Schaie wur- de damals als Chef der Dramaturgie verpflichtet und war dank erheblicher Darlehen48 an den da- maligen Direktor Adolf Lantz, der das Theater ge- pachtet hatte, auch finanziell beteiligt.49 Doch damit fing das Drama an - offenbar ge- wöhnten sie sich in den 1910er Jahren eine buch- halterische Nachlässigkeit an, die sie später nicht mehr loswurden und die ihnen schliesslich mit zum Verhängnis wurde. Lantz als der eigentlich Verant- wortliche kümmerte sich nicht um die Buch- führung, und Fritz und Alfred Schaie kontrollierten die Bücher offenbar ebenfalls nicht, obwohl Lantz das «irgendwie», wie er betonte, «angenommen» hatte, «aber eine Verpflichtung hatten sie tatsäch- lich nicht.»50 Es gab keinen eigentlichen Geschäfts- führer, und 1913, nach dem frühzeitigen Ausschei- den der Rotter, konnte ein hinzugezogener zusätzli- cher Bücherrevisor sich «aus den Büchern nicht zu- rechtfinden».51 Es gab keine Vermögensübersicht, Belege fehlten.52 «Über die künstlerische Auffas- sung» waren sich Lantz und die Gebrüder Schaie nach Aussage des Ersteren indessen «vollständig ei- nig» gewesen: «Ich würde», sagte Lantz im März 1918 aus, «ohne sie und ohne dass sie mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätten, das Unterneh- men überhaupt nicht begonnen haben.» Aber «das Theater arbeitete vom ersten Tage ab mit Unterbi- lanz».53 Fritz und Alfred Rotter hatten sich die Rechte an den Stücken Strindbergs gesichert und stellten sich mit Lantz auf den «Standpunkt», «dass die Strindberg'schen Stücke neben ihrer künstleri- schen Wirkung auch große Einnahmen bringen müssten, und dass es deshalb auch vom geschäftli- chen Standpunkt das richtige sei, Stringberg zu ge- ben.» Lantz, rückblickend, weiter: «Die Richtigkeit dieser letzteren Ansicht hat sich für die bekannten späteren großen Erfolge anderer Berliner Theater mit den Strindberg-Aufführungen erwiesen.» 86
	        

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