Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

DIE BERUFUNG DER ZÄMSER SCHWESTERN Einen wichtigen und prägenden Beitrag zum liech- tensteinischen Schulwesen und der Mädchenbil- dung, leisteten die Zamser Schwestern, Lehrschwes- tern der Kongregation der Barmherzigen Schwes- tern vom heiligen Vinzenz von Paul.65 Während über 130 Jahren, von 1846 bis 1979, unterrichteten sie an liechtensteinischen Schulen und Kindergärten.66 Im Jahrbuch des Historischen Vereins wurden sie 1967 als «nicht wegzudenkendes Element der liechten- steinischen Schule» bezeichnet.67 1881 standen den 14 Lehrern 12 Ordensfrauen gegenüber, 1965 waren es 34 gegenüber 51 männli- chen Lehrkräften.68 1969 standen 11 Klosterfrauen 57 Lehrern, 1973 23 Klosterfrauen 68 Lehrern ge- genüber. In den grösseren Gemeinden führte ge- wöhnlich eine Ordensschwester die Unterklasse, eine andere die Mädchenoberklasse, welche ge- trennt von der Knabenoberklasse, die von einem Lehrer unterrichtet wurde, geführt wurde. Die ers- ten Kindergärten hätten ohne die Zamser Schwes- tern nicht entstehen können. Die letzte Zamser Schwester quittierte 1993 ihren Dienst.69 Bis weit in die 1960er Jahre hinein überwogen die Klosterfrauen im Schulwesen, d. h. in der Kindergartenarbeit, dem Handarbeitsunterricht, der Unterklasse und in der Mädchenoberklasse - die Oberklassen der Knaben wurden von einer männlichen Lehrperson geführt. Es herrschte die Meinung vor, dass weltliche Frauen im Schuldienst Liechtensteins nichts zu suchen hät- ten. Jungen Frauen, die sich für eine Lehrerinnen- ausbildung interessierten, wurde von der Schulbe- hörde energisch davon abgeraten. Die wenigen, die sich ihren Berufswunsch trotzdem erfüllten, hatten wenig bis gar keine Aussicht auf eine Beschäftigung im Fleimatstaat. 1954 wurde die erste weltliche Frau als Flauswirtschaftslehrerin eingestellt, 1962 folgte eine weitere auf vorübergehender Basis> an der Primarschule in Triesen. Die erste reguläre An- stellung einer ausgebildeten weltlichen Lehrerin er- folgte 1965. Den liechtensteinischen Mädchen fehl- ten bis zu diesem Zeitpunkt ausgebildete weibliche «weltliche» Vorbilder. 
Der wirkliche Grund für die Bevorzugung der Or- densschwestern aber war die finanzielle Einspa- rung des Staates. Die Klosterfrauen unterrichteten für wenig Lohn oft bis weit über das übliche Pensi- onsalter hinaus. So konnte etwa Schwester Sigis- munda, geboren 1884, 1966 mit 82 Jahren ihr 60- jähriges Dienstjubiläum feiern. Die Zamser Schwes- tern profitierten auch nicht wie die männlichen Leh- rer von Beamtenprivilegien, insbesondere von den Pensionsleistungen. Das bedeutete eine weitere wich- tige Entlastung für die Staatskasse. Dass Frauen in einen Orden eintraten und so günstig für den Staat arbeiteten,70 wurde allgemein erwartet. Als die Schwesternzahl mit den Jahren immer mehr abnahm, wurde in verschiedenen Krei- sen mit Empörung darauf reagiert. Im «Liechten- steiner Vaterland» war 1951 nachzulesen: «... Wie überall, zeigt sich leider Gottes ... ein starker Rück- gang des Schwesternberufes. Es ist der wohlehr- würdigen Frau Mutter einfach nicht mehr möglich, alle Filialen zu halten. Eine betrübliche Zeiterschei- nung! Man verlangt heute nur, dass sich die Kloster überall, in Schulen, in Krankenhäusern, in Alters- heimen, in der sozialen Fürsorge usw. einsetzen, aber auf der anderen Seite gibt es heute so wenig ideal gesinnte Töchter, die sich dem Ordensberufe zuwenden. Das muss natürlich zu einer Katastrophe führen. ...».71 36
	        

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