Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

300 Franken im Monat, womit sie ihren Lebensun- terhalt nicht bezahlen konnte, doch sie lebte ja noch zu Hause. Auch für Frau B. war es normal, nach der Arbeit in Vaduz im Haushalt oder auf dem Hof des Vaters mitzuhelfen und während der zwei Wochen Ferien, die sie im Jahr hatte, half sie beim Heuen mit. Gearbeitet wurde damals von Montagmorgen bis Samstagmittag. In jener Zeit erhielt sie einmal an Weihnachten von ihrem Chef ein Couvert mit 100 Franken. Sie habe sich wahnsinnig darüber gefreut und sei schnurstracks «zum Huber»42 gegangen, wo sie sich ihre erste Uhr kaufte. Dann auf der Heim- fahrt im Postauto habe sie bereits das schlechte Ge- wissen gepackt. Was würde wohl ihre Mutter dazu sagen, habe sie doch einfach das ganze Geld für eine Uhr für sich selber ausgegeben! Die Mutter sei noch im Laden gestanden und habe nur gesagt, «Rächt häsch!»43 und sowieso brauche man eine Uhr, wenn man im Büro arbeite. Da war sie dann schon sehr erleichtert. Von 1954 bis 1956 arbeitete sie im Büro einer Füllfederhalterfabrik. Dort sei es aber nicht so gut gelaufen, da man nie wusste, ob die Firma nicht Bankrott ginge. So fand sie schliesslich eine Stelle bei einem Treuhandunternehmen. 1958 heiratete sie 24-jährig ihren Mann. Die ers- te Tochter kam 1960 zur Welt. Sie arbeitete aber zu 100 Prozent weiter in diesem Unternehmen. Die Schwiegermutter kümmerte sich um ihre Tochter, ihre ältere Schwester, die verheiratet aber kinderlos war, unterstützte sie tatkräftig im Flaushalt, sonst wäre dies nicht gegangen. Ihr Mann verdiente da- mals auch nicht besonders gut. Als 1967 ihre zweite Tochter zur Welt kam, gab sie ihre Arbeit im Treuhandunternehmen auf. Ihr Mann hatte zu dieser Zeit auch eine Stelle mit besse- rem Lohn gefunden. 
DIE GLEICHSTELLUNG WIRD INS ZWIELICHT GESTELLT In den 1950er Jahren wehrten sich in Ländern rund um Liechtenstein viele Frauen. Sie verlangten mehr Rechte und Chancengleichheit in Bildung, am Ar- beitsplatz und in der Politik. Die Öffentlichkeit in Liechtenstein schien dies als Gefahr zu sehen, sie reagierten darauf sehr negativ oder mit schlichtem Totschweigen. Im «In Christo» wurde beispielsweise ein Artikel einer deutschen Katholikin abgedruckt, in welchem die liechtenstei- nischen Frauen in ihrer «wahren» Lebensweise und Lebenseinstellung bestätigt werden sollten. Die Au- torin des Artikels stellte emanzipierte Frauen, «die ganz Verrückten», welche in der Politik «rede- schwingend» ihren Geltungsdrang befriedigten, ne- ben die «zum Glück» noch grosse Mehrheit der Frauen, die keinen Wert auf diese neuen Möglich- keiten legten, sondern lieber «in aller Friedlichkeit wie eh und je Hausfrauen und Mütter seien». Weiter wurde den liechtensteinischen Frauen suggeriert, dass Gleichberechtigung nicht als Emanzipation und politische Gleichstellung zu betrachten sei, son- dern als Ergänzung zum Mann. «Wir werden in Zu- kunft nicht mehr so unbedingt danach trachten, überall da zu sein, wo der Mann ist, und alles eben- so zu machen, wie er, sondern wir werden danach trachten müssen, das Leben von innen heraus heil zu machen und zu hüten und darin zum Teil ganz andere Wege zu gehen als der Mann. Auch und ge- rade das Leben des selbstsicheren, selbstständigen, so überaus erfolgreichen Mannes haben wir zu «hü- ten» und «heilzumachen».44 Ähnlich wurde in einem Artikel, in welchem jun- ge Frauen zu Exerzitien aufgerufen wurden, argu- mentiert. Wieder wurden die «... wirklichen Frau- en, die ihr Frauentum als köstliches Gut erkannt und ausgeformt haben»45 angesprochen. Wenn die- se Frauen zwar auch kein Wahlrecht hätten, so hät- ten sie doch das Sprachrecht und durch ihren Ein- fluss auf den Mann auch Einfluss auf das öffentliche Leben. Den liechtensteinischen Frauen wurde eine bestimmte Rolle, die eine Mischung zwischen reli- giöser Erleuchtung, politischer Rechtlosigkeit und 28
	        

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