Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

Die Rahmenbedingungen Der vorliegende Beitrag ist eine Zusammenfassung der Lizentiatsarbeit, welche Julia Frick im März 2005 bei Professor Urs Altermatt an der Universität Freiburg (Schweiz) eingereicht hatte. Diese Unter- suchung über die weibliche Arbeitswelt beginnt in der Nachkriegszeit, als in Liechtenstein ein nie zu- vor gekannter Wohlstand einsetzte. Dank einem lang anhaltenden Konjunkturaufschwung wurde das Land mit Arbeitsplätzen und Arbeitsangeboten überschwemmt. Frauen wurden in den neuen Ar- beitsmarkt bewusst und notwendigerweise mit ein- bezogen. In Liechtenstein erfolgte nach Kriegsende nicht die gefürchtete Nachkriegskrise und so konnte sich die von der Kriegskonjunktur in Liechtenstein be- reits angetriebene zweite Industrialisierungswelle fortsetzen. Allein die Arbeitsplätze in den liechten- steinischen Fabriken verdoppelten sich beinahe in den Jahren 1945 bis 1948.5 Schon 1946 konnten alle wirtschaftlichen Betriebe wieder auf Vollbe- schäftigung umstellen. Es wurden neue Firmen ge- gründet, der Weg zum Industrie- und Dienstleis- tungsstaat war geebnet. Der Zeitabschnitt, welcher in dieser Arbeit unter- sucht wird, ist vom so genannten 1950er Syndrom beeinflusst/' Darunter wird die in jenem Jahrzehnt einsetzende und bis heute andauernde, tief greifen- de Umgestaltung der Produktions- und Lebensweise und deren Folgen verstanden. 
DIE ENTWICKLUNG DER LIECHTEN- STEINISCHEN ZIVILGESETZGEBUNG Zum besseren Verständnis für die Entwicklung der liechtensteinischen Gesellschaftspolitik ist ein Blick auf die Herkunft und Entwicklung der Familien- rechts- und Eherechtsgesetzgebung sowie auf die Rolle des Staatsgerichtshofes zu werfen. Liechtensteins Zivilgesetzgebung wurde im Jahr 1812 durch fürstliche Verordnung vollständig vom österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) von 1811 übernommen. Das österreichische ABGB basierte auf dem «Josephinischen Gesetzbuch», das am 1. Januar 1787 in Kraft getreten war. Dieses Ge- setzeswerk wurde in den folgenden Jahren bearbei- tet und erhielt in der Zeit von 1797 bis 1811 eine neue Redaktion. Es wurde am Massstab seiner Zeit gemessen als ein Meisterwerk gefeiert, das seiner Zeit weit voraus sei.' Während der folgenden 100 Jahre blieb das ABGB sowohl in Österreich als auch in Liechtenstein fast völlig unverändert. Eine erste materielle Änderung gab es in Liechtenstein im Jahr 1921 in Bezug auf die Bestimmungen über den Viehhandel.8 Die drei in Österreich in den Jahren 1907 bis 1916 erfolgten Teilnovellen wurden von Liechtenstein nicht übernommen. Als nach Inkrafttreten der neuen Verfassung im Jahr 19229 die Volkspartei an die Macht kam und mit Regierungschef Prof. Gustav Schädler10 und Landtagspräsident Dr. Wilhelm Beck11 eine neue - aber nur bis 1928 dauernde - Ära über Liechten- stein hereinbrach, wurde auch die Neukodifikation des liechtensteinischen Zivilgesetzbuches in Angriff genommen. Vorgesehen war eine Vereinheitlichung des bürgerlichen Rechtes und des Handelsrechtes. Erster Teil der neuen Kodifikation war das Sachen- recht, das im Jahr 1923 in Kraft trat und das weitge- hend aus dem schweizerischen Zivilgesetzbuch übernommen wurde.12 Als zweiter Teil war das Ob- ligationenrecht gedacht, welches aber nicht mehr realisiert wurde. Dritter Teil war das neue Perso- nen- und Gesellschaftsrecht (PGR), welches im Jahr 1926 erlassen wurde.13 Als vierter Teil war das Fa- milienrecht und als fünfter Teil das Erbrecht vorge- sehen. Auch diese beiden Teile konnten nicht mehr 8
	        

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