Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2007) (106)

DER SPRACHATLAS FÜR VORARLBERG, LIECHTENSTEIN, WESTTIROL UND DAS ALLGÄU / HUBERT KLAUSMANN Zum Wortschatz mit germanischer (deutscher) Herkunft (VALTS V) Die erste Kartengruppe von VALTS V umfasst den West-Ost-Gegensatz am Arnberg. Die etwa 100 Kar- ten zu diesem Themenbereich machen deutlich, wie stark der Arlberg auch im Wortschatz eine Grenze bildet. Für Liechtenstein sind diese Karten in der Regel von geringerem Interesse, da hier die alemannische Seite (Schweiz, Vorarlberg, Liechten- stein) meistens die gleiche Bezeichnung kennt. An- ders sieht es bei den Karten zum Nord-Süd-Gegen- satz aus. Derselbe Nord-Süd-Gegensatz, den wir soeben bei den Wörtern mit romanischer Herkunft kennengelernt haben, ergibt sich nämlich auch bei den Karten mit dem deutschen (germanischen) Wortschatz. Immer wieder kommen sprachliche Neuerungen aus dem schwäbischen Raum nach Nordvorarlberg und breiten sich von dort weiter nach Süden aus. Im Rahmen dieser Nord-Süd-Ge- gensätze - das zeigen die Karten - gibt es für Liech- tenstein drei Möglichkeiten: a) Der nördliche Einfluss erfasst Liechtenstein nicht. b) Der nördliche Einfluss erfasst nur das Liechten- steiner Unterland. c) Der nördliche Einfluss erfasst auch ganz Liech- tenstein. Nord-Süd-Gegensätze am Alpenrhein, bei denen Liechtenstein zur Südhälfte gehört, finden wir im VALTS immer wieder, so z.B. bei der Karte «Zitzen der Kuh» (VALTS V 93). Die nördliche Bezeichnung Tutte steht hier in der Höhe von Dornbirn der süd- lichen 
Bezeichnung Strich gegenüber. Noch schär- fer ist die Abgrenzung bei den Bezeichnungen für das Waschen mit Aschenlauge (VALTS V 95). Die nördlich (und südlich) von Liechtenstein vorkom- mende 
Bezeichnung bauchen kennt man in Liech- tenstein nicht, wo man zu diesem 
Vorgang laugen sagt. Den wortgeographischen Befund von Fall (b) il- lustriert sehr schön die Karte VALTS V 47 «Schwein (allg. Bezeichnung)». Das Unterland kennt das in diesem Fall klar von Norden eingedrungene Wort Sau, während man im 
Oberland Fäärlein sagt (Abbildung 7). Dieses Substantiv ist eine Liechten-steiner 
Besonderheit, denn die Vorarlberger und Schweizer Nachbarschaft kennt nur das 
Verb fäär- len «Junge zur Welt bringen» (VALTS V 45). Die nördliche 
Bezeichnung Sau steht ansonsten klar und deutlich dem südlichen Gebiet mit der alten (!) Bezeichnung Schwein gegenüber. Zu Fall (c) stellen wir zunächst einmal all diejeni- gen Fälle, bei denen in Liechtenstein eine «aleman- nische» Bezeichnung vorzufinden ist. Man kann hier meistens weniger von einem nördlichen Ein- fluss sprechen als vielmehr von einer alemanni- schen Gemeinsamkeit, die sich freilich bei der Ger- manisierung des Alpenraums von Nord nach Süd ausgebreitet hat. Wie oben erwähnt, findet man in der ersten Hälfte von VALTS V, die den aleman- nisch-bairischen Gegensatz am Arlberg dokumen- tiert, zahlreiche Beispiele für eine solche Gemein- samkeit. Einen klassischen Fall zeigt etwa VALTS V 104. Die alemannische 
Bezeichnung Zeine ist vom Bodensee bis nach Graubünden und von der Schweiz bis zum Arlberg geschlossen belegt, während man auf der bairischen Seite diese Be- zeichnung für den zweihenkligen runden Korb nicht kennt. Wie schnell die Entwicklung von (a) bis (c) manchmal gehen kann, demonstriert die Karte «Deckel des Rückentragegefässes» (VALTS V 7). Die einfache deutsche 
Bezeichnung Deckel galt zum Zeitpunkt der Erhebungen von Württemberg bis in die Höhe von Feldkirch, erst dann konnte man ne- ben offenbar 
neuerem Deckel auch noch die alte Bezeichnung Lid hören. Gerät diese Bezeichnung aber eines Tages auch in Liechtenstein in Verges- senheit, so ist Phase (c) erreicht. Eine kleine Gruppe von Karten, die über den ganzen Atlas verteilt sind, zeigt die Abgrenzung Liechtensteins gegenüber der Schweiz. Ein Beispiel für diesen West-Ost-Gegensatz am Alpenrhein wäre die Karte «Kaninchen» (VALTS V 8): Nur in der Schweiz sagt 
man Küngelein, rechts des Rheins dagegen 
einfach Hase. In der VALTS-Legende wird aber darauf hingewiesen, dass manche auch in Liechtenstein offenbar schon die Schweizer Be- zeichnung übernommen haben. Ein anderes Bei- spiel für diesen Fall finden wir auf der Karte «Pa- 117
	        

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