DER SPRACHATLAS FÜR VORARLBERG, LIECHTENSTEIN, WESTTIROL UND DAS ALLGÄU / HUBERT KLAUSMANN EINFÜHRUNG ZUR RENUTZUNG DES VALTS DIE BEIDEN BÄNDE ZUR LAUTLEHRE Anhand der Karte VALTS I 94 soll das Kartierungs- verfahren des VALTS kurz vorgestellt werden (Ab- bildung 1). Nachdem aus allen Ortsaufnahmen die Belege für die
Wörter Berg, Gerste, Herz, Kern herausge- schrieben waren, konnten die Bearbeiter im Vor- arlberger und Liechtensteiner Rheintal folgende Unterschiede feststellen: a) Es gab Ortschaften, in denen die betreffenden Wörter mit einem
Diphthong -§d-, den ich hier ver- einfachend
als -äa- wiedergebe, gesprochen wer- den. Wie die Karte zeigt, handelt es sich offenbar um einen Einfluss aus dem Norden, der linksrhei- nisch nicht Fuss fassen konnte und rechtsrheinisch erst in der Höhe von Feldkirch zum Stillstand kam. b) Im übrigen Gebiet wurde bei diesen Wörtern kein Diphthong, sondern ein
Monophthong -e- (vereinfacht: -ä-) notiert. Dieser Monophthong tritt in verschiedenen Landschaften mit unterschiedli- cher Qualität auf, einmal mehr, einmal weniger ge- öffnet. Nachdem diese Unterschiede herausgefunden wer- den konnten, mussten sie in Symbole/Zeichen übertragen werden. Entscheidend war hierbei der Gegensatz zwischen Monophthong und Diphthong, weshalb für diese beiden Lauterscheinungen zwei ganz unterschiedliche Symbole gewählt wurden: Monophthonge wurden mit einem Kreis, Diphthon- ge mit einem Dreieck symbolisiert. Um Unterschie- de innerhalb der jeweiligen Gruppe herauszustel- len, wurden diese beiden Symbole dann weiter dif- ferenziert. Die gesamte Umsetzung von den Lau- tungen zu den Symbolen kann man der Legende entnehmen. Dadurch dass auf jedem Ortspunkt nun Symbole stehen, ergeben sich schon auf den ersten Blick Landschaften. Und gerade dies ist die Aufgabe ei- nes Sprachatlasses: Er soll dokumentieren, inwie-fern
man in der erforschten Gegend Landschaften erfassen kann, in denen die gleichen sprachlichen Besonderheiten herrschen. Auf diese Weise werden aber gleichzeitig auch Grenzen deutlich, und am Ende eines Sprachatlasprojekts sollte man dann die Frage beantworten können, welche Ortschaf- ten/Kleinräume nun wirklich zusammengehören. Auf der soeben besprochenen Karte kommt z.B. die immer wieder zu beobachtende Gemeinsamkeit der Mundarten Liechtensteins und der Südvorarl- berger Mundarten deutlich heraus. Die beiden Bände zur Lautlehre sind ansonsten ganz traditionell angeordnet. Es hat sich nämlich gezeigt, dass für die Mundarten die mittelhoch- deutschen Lautungen (= mhd.) der Ausgangspunkt sind, d.h. dass sich unsere Mundarten direkt aus der Sprache des Mittelalters und nicht aus der heu- tigen deutschen Standardsprache ableiten lassen. Da also das mhd. Lautsystem das Bezugssystem ist, werden die Belegwörter den einzelnen mhd. Lau- tungen zugeordnet. Entsprechend dieser Regel fasst man beispielsweise die
Wörter Berg, Gerste, Herz und alle weiteren, die in mittelhochdeutscher Zeit mit
einem -e- geschrieben wurden, in einer Gruppe zusammen und fragt sich nun: Welcher Lautwert entspricht in den einzelnen Ortsdialekten heute dem Schriftzeichen -e-? Und ebenso fragt man dann nach den anderen Zeichen: Was ist aus einem
mhd. a wie in
mhd. acker «Acker» oder mhd. katze «Katze», was mit einem
mhd. o wie in mhd. hoc «Bock» oder
mhd. köpf «Kopf», was aus mhd. ä in
mhd. äbent «Abend» oder
mhd. släfen «schlafen» geworden? DER DRITTE BAND: KONSONANTISMUS UND MORPHOLOGIE (VALTS III) Da die Frage nach der Entwicklung der einzelnen mhd. Vokale so viele interessante Karten erbrach- te, musste die Entwicklung der Konsonanten in den dritten Band geschoben werden. Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt allerdings auf der Grammatik, genauer gesagt auf der sogenannten Morphologie, dem Bau der Wörter. Dargelegt wird z.B., wie die 105