VON WESTFALEN ZUM GLOBAL VILLAGE ZOLTÄN TIBOR PÄLLINGER die absolute Souveränität eines einzelnen Staates nur in der Vorherrschaft realisieren, welche im Ge- gensatz zu der Koexistenz gleichberechtigter Staa- ten stünde.17 Das zweite Begriffspaar positive und negative Souveränität wird analog zur Unterscheidung zwi- schen positiver und negativer Freiheit gebraucht. In diesem Sinne bedeutet positive Souveränität Handlungsfreiheit (Freiheit zu). Demgegenüber wird unter negativer Souveränität Handlungsauto- nomie (Freiheit von) im Sinne des Freiseins von Einflüssen anderer Akteure verstanden.18 In ihrer dritten Ausprägung umfasst Souverä- nität sowohl eine innerstaatliche als auch eine äus- sere Dimension: Innere Souveränität liegt dann vor, wenn ein Staat für seine Angehörigen und auf sei- nem Territorium der höchste Herrschaftsverband ist, gegen dessen Entscheidungen an keine höhere Stelle appelliert werden kann. Äussere Souverä- nität bedeutet demgegenüber, dass die Staaten un- tereinander keiner überstaatlichen Macht, sondern bloss dem vom zwischenstaatlichen Konsens getra- genen Völkerrecht untergeordnet sind.19 Die vierte Unterscheidung zwischen rechtlicher und politischer Souveränität bezieht sich auf das «field of manifestation of Sovereignty».20 In diesem Sinne spricht man von rechtlicher Souveränität, wenn ein Staat den vollen Status der Souveränität geniesst, das heisst seine Handlungsfreiheit nicht rechtlich begrenzt ist.21 Demgegenüber wird unter der politischen Souveränität die Eigenschaft eines Staates verstanden, dass er alle wesentlichen Staatsfunktionen selbständig - ohne Einmischung von aussen - ausüben kann.22 In den Theorien der Internationalen Beziehun- gen werden - teilweise jedenfalls - andere Aspek- te der Souveränität betont als in der Völkerrechts- lehre. Stephen D. Krasner macht in der heutigen Diskussion vier unterschiedliche Dimensionen des Begriffs aus: 1. de-iure-Souveränität (internatio- nal legal sovereignty), 2. westfälische Souverä- nität (Westphalian sovereignty), 3. innerstaatli- che Souveränität (domestic sovereignty) und 4. In- terdependenzsouveränität (interdependence sov- ereignty).23
Die de-iure-Souveränität betrifft die Praxis der gegenseitigen Anerkennung von Staaten (oder an- deren Territorialeinheiten), welche de iure unab- hängig sind. Die grundlegende Frage bei dieser Art der Souveränität ist, ob die Autorität eines Staates, völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, aner- kannt wird. Dabei steht - entgegen des ersten An- scheins - nicht der rechtliche Aspekt der Anerken- nung im Vordergrund, sondern der politische. Aus dieser Perspektive wird de-iure-Souveränität als eine politische Ressource begriffen. Diese wird ei- nerseits von den anerkennenden Staaten gemäss ihren eigenen Interessen eingesetzt (Strafe - Beloh- nung). Für die Anerkennung suchenden Staaten stellt sie andererseits «a ticket of general admission to the international arena»24 dar. Nur anerkannte Staaten gemessen die «souveräne Gleichheit» im Rahmen des Völkerrechts. Nur als solche können 6) Verdross, Simma 1984, S. 26. 7) Zit. in: Münkler 2004. S. 23. 8) Verdross. Simma 1984. S. 25. 9) Bodin 1986. 1 8. 10} Verdross, Simma 1984. S. 27. 11) Vattel 1916, S. XVII ff. 12) Palmas Fall (UNRIAA 2 829) in: Jörg Paul Müller: Luzius Wildha- ber: Praxis des Völkerrechts. Bern, 1982, S. 144. 13) Verdross, Simma 1984, S. 28. 14) Müller-Wewel 2003, S. 172. 15) Ritterband 1982, S. 236 f. 16) Der Widerspruch Hesse sich nur durch die Schaffung eines VVeltstaates lösen, auf den die einzelnen Staaten ihre Souveränität freiwillig und vollständig übertragen würden. 17) Müller-Wewel 2003, S. 172 f. 18) Ebenda, S. 178. 19) Verdross. Simma 1984, S. 29. 20) Schwarzenberger 1957. S. 268. 21) Müller-Wewel 2003, S. 183. 22) Verdross, Simma 1984, S. 30. 23) Zum Folgenden, soweit nicht anders vermerkt, vgl. Krasner 1999 S. 9-25. 24) Fowler, ßunck 1995, S. 12. 55