Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

Fulds in Berlin-Grunewald versteigert worden. Mehr als zwei Jahre später verkaufte Bornheim den Tisch an den Fürsten von Liechtenstein, wissend, dass es sich um entzogenes jüdisches Gut handelte. Die Frage, ob der Fürst von der Provenienz Mayer- Fuld gewusst hat, ist anhand der Quellen nicht defi- nitiv zu klären. 1949 wurde der Tisch von der ursprünglichen Besitzerin zurückgefordert. Obwohl dem Fürsten durch einen Berater klar gemacht wurde, dass es sich eindeutig um eine «Arisierung» gehandelt hat- te, verweigerte er die Rückgabe mit der Begrün- dung, er habe das Stück «guten Glaubens» erwor- ben. Ende der 1990er Jahre publizierten die fürstli- chen Sammlungen in der «Neuen Zürcher Zeitung» und der liechtensteinischen Presse eine Stellung- nahme zu dem Fall, in der - unrichtigerweise - be- hauptet wurde, Mayer-Fuld sei keine Verfolgte ge- wesen. Zwischen 1940 und 1943 erwarben die fürstli- chen Sammlungen 31 Objekte für insgesamt mehr als 318 000 Reichsmark aus dem Wiener Dorothe- um. Grundsätzlich sind die Erwerbungen im Doro- theum als potentiell bedenklich einzustufen, im Fall des Wiener Industriellen Ernst Egger, der später in Theresienstadt ermordet wurde, ist der Raubgutbe- fund laut Tisa als gesichert anzusehen. Sowohl dem Fürsten als auch Sammlungsdirektor Wilhelm war bekannt, dass die 17 im Jahr 1940 über das Doro- theum erworbenen Silbergegenstände aus Eggers Sammlung stammten. Auch bei den Ende 1943 im Dorotheum erworbe- nen drei Gobelins und neun Fauteuils, die das Auk- tionshaus in Frankreich angekauft hatte, war das Fürstenhaus über diese Flerkunft informiert. Im Berliner Auktionshaus Hans W. Lange erwarb es 1943 drei Fayencen-in einer Versteigerung, bei der im Auftrag des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Bran- denburg höchstwahrscheinlich jüdisches Eigentum unter den Hammer kam. Auch mit Dr. August Mader, dem Direktor der Wiener Gobelinmanufaktur, unterhielt Wilhelm enge geschäftliche Verbindungen. Wilhelm liess bei Mader Tapisserien aus den fürstlichen Sammlungen restaurieren, gleichzeitig fungierte Mader als Fach-mann 
und Berater bei Ankäufen. Auch Mader war in den NS-Kunstraub verstrickt: Als Spezialist für Tapisserien wurde er auch zur Sichtung und Schät- zung von in Polen beschlagnahmten Gobelins hinzu- gezogen. Zwei Gobelins kaufte das Fürstenhaus 1943 über die «Dienststelle Mühlmann» in den besetzten Nie- derlanden für insgesamt 187 000 Reichsmark. Es blieb dabei unklar, wer die wertvollen Textilien zu- vor besessen hatte und ob es sich tatsächlich um Raubgut handelte. Der Ankauf beweist jedoch, dass sich das Fürstenhaus nicht von der Londoner Dekla- ration der Alliierten vom 5. Januar 1943 beein- drucken liess, die den Ankauf von Kunstgegenstän- den aus den besetzten Gebieten untersagt und die Ahndung widerrechtlicher Transaktionen nach Kriegsende ins Aussicht gestellt hatte. Die genaue Flerkunft der Gobelins konnte von Tisa nicht geklärt werden. Es müsse sich nicht zwingend um Raubgut handeln, urteilt sie, die Wahrscheinlichkeit sei auf- grund der Faktenlage jedoch gross. Die Lektüre von Tisas fundierter und spannend zu lesender Studie ist zu empfehlen: für Zeit- und Kunstgeschichtler sowie Provenienzerforscher, weil sie viele interessante Einzelheiten zu bislang wenig bearbeiteten Forschungsfeldern enthält, nament- lich zum europäischen Kunsthandel und Kunst- markt während der NS-Zeit. Fachfremden bietet die Arbeit, die auf Archivquellen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, sowie aus anderen west- und osteuropäischen Ländern und den USA basiert, einen guten Einblick in die aktuellen Forschungen zum NS-Kunstraub sowie die Aufgaben und Proble- me der Provenienzforschung. Trotz des Detailreich- tums und der wissenschaftlichen Präzision liest sich das Buch nicht trocken und akademisch. Kurze Zwi- schenresümees und eine ausführliche abschliessen- de Zusammenfassung erleichtern die Orientierung. 264
	        

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