Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

REZENSIONEN / LIECHTENSTEIN UND DER INTER- NATIONALE KUNSTMARKT 1933-1945 promovierter Jurist, war ab 1934 innerhalb der fürstlich-liechtensteinischen Verwaltung mit den Kunstsammlungen sowie dem Archiv- und Biblio- thekswesen befasst gewesen. 1940 wurde er zum Direktor der fürstlichen Sammlungen befördert. 1946, nach der Übersiedlung nach Vaduz, über- nahm er auch die Funktion des Fürstlichen Kabi- nettsdirektors. Als sich Franz Josef II. nach dem «Anschluss» Österreichs entschieden hatte, seinen ständigen Wohnsitz nach Vaduz zu verlegen, blieb Wilhelm, offenbar kein NSDAP-Mitglied, als Samm- lungsdirektor in Wien. Wie zahlreiche Sammler, Galerien, Auktionshäu- ser und Händler profitierten auch die fürstlichen Sammlungen in den Jahren des Nationalsozialis- mus von der Situation auf dem Kunstmarkt. In sammlungspolitischer Hinsicht markierte die Peri- ode zwischen 1933 und 1945 dennoch keinen her- ausragenden Abschnitt. Mit dem Tod des Fürsten Johannes II. war 1929 eine bedeutende Epoche in der Geschichte der fürstlichen Sammlungen zu Ende gegangen. Während der folgenden Jahre wurde der Schwer- punkt weniger auf den Ausbau der Gemäldesamm- lung gelegt als auf den - finanziell weitaus weniger aufwendigen - Erwerb von Einrichtungsobjekten für die fürstlichen Schlösser und Burgen, was das Fürstenhaus allerdings nicht vor Ankäufen von Werken mit problematischer Provenienz bewahrte. In der Regel betrieb es bei Ankäufen einen relativ grossen Aufwand zur Klärung der Herkunft. Nur be- grenzt gilt dies allerdings für jene Erwerbungen, die über befreundete Fachkollegen wie August Mader oder Oskar Hamel sowie bei den grossen Verwer- tungshäusern - dem Wiener Dorotheum und der Galerie LI. W. Lange - erfolgt sind und bei denen es sich um ausgesprochene Gelegenheitskäufe gehan- delt hat. Franz Josef II. erwarb zwischen 1938 und 1945 rund 270 Objekte im Wert von über 1,5 Millionen Reichsmark - Teppiche, Porzellane, Möbel, Silber und kunsthandwerkliche Objekte sowie etwa ein Dutzend Gemälde, Zeichnungen oder Aquarelle. Die Ankäufe erfolgten in der Regel durch Wilhelm, mit dem der Fürst in regem Austausch stand. Grob ge-schätzt 
wurden zwei Drittel des Ankaufsetats für problematische Objekte verwendet, was nicht be- deutet, dass es sich hierbei durchwegs um Raubgut gehandelt hat. Einen Teil der Neuerwerbungen finanzierte der Fürst durch Verkäufe. Bei der Veräusserung des Schlosses Seebenstein 1944 an die Wiener Kunst- händler Oskar Hamel und Karoline Nehammer han- delte es sich im Wesentlichen um ein Tauschge- schäft: Den grössten Teil des Kaufpreises bezahlte Hamel in Form von Kunstgegenständen. Rund die Hälfte aller Objekte, die Franz Josef II. in der Zeit nach dem «Anschluss» erwarb, bezog er bei oder über Oskar Hamel, und zwar um einen Ge- samtbetrag von 420 000 Reichsmark. Hamel war bereits 1933 Mitglied der NSDAP geworden und hatte ihr auch in der «Verbotszeit» angehört. Neben seiner Tätigkeit als Händler fungierte er als Gutach- ter sowie als Schätzmeister des Dorotheums und unterhielt Geschäftskontakte zu Hitlers «Sonderbe- auftragten» für das geplante «Führermuseum» in Linz. LIamel kaufte nachweislich selbst im Dorothe- um, auch wenn es sich um Einlieferungen durch die «Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Ge- heimen Staatspolizei» (Vugesta) handelte, sowie di- rekt von jüdischen Verfolgten. 1940 erwarb der Fürst über Hamel einen Speise- tisch aus der Zeit um 1700, der aus dem Besitz des Zuckerindustriellen Oskar Bondy stammte, um 2 500 Reichsmark. Die Provenienz ist auf der Rech- nung angegeben, war dem Fürstenhaus also be- kannt. Vier Objekte wurden 1942 vom Münchner Antiquar und Kunsthändler Walter Bornheim um 188 000 Reichsmark angekauft. Bornheim hatte 1936 die jüdische Kunsthandlung A. S. Drey in Mün- chen «arisiert» und stand seit 1938 mit Göring in engem Kontakt. Ende der 1940er Jahre war ein in Frankreich hergestellter Bureauplat, den der Fürst über Born- heim erworben hatte, Gegenstand eines ausserge- richtlichen Rückforderungsantrags seitens der Vor- besitzerin, Lucie Mayer-Fuld. Diese war vor Kriegs- beginn mit ihrem Ehemann aus Deutschland nach Paris und später nach New York geflüchtet. 1940 war der besagte Tisch direkt in der Villa Mayer- 263
	        

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