Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

REZENSIONEN / LIECHTENSTEINISCHE FINANZBE- ZIEHUNGEN ZUR ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS in Grossbritannien bis hin zu den öffentlichen Ar- chiven in Russland. Was die Arbeit von Hanspeter Lussy und Rodrigo Lopez besonders auszeichnet ist die Tatsache, dass die Autoren aufgrund ihres be- sonderen Archivprivilegs auch Zugang zu verschie- denen liechtensteinischen Privatarchiven hatten. Die Arbeit stützt sich zu einem Grossteil auf Quellen- beständen aus dem Archiv der Liechtensteinischen Landesbank, dem Archiv der Bank in Liechtenstein und den Privatakten des Wirtschaftsanwalts Ludwig Marxer und des Treuhänders Guido Feger. Gröss- tenteils nicht mehr einsehbar waren die Akten der Präsidial-Anstalt und der Nachfolgebüros der bei- den Rechtsanwälte Wilhelm Beck und Alois Ritter, da diese nach Ablauf der Aulbewahrungsfristen zu einem grossen Teil entsorgt worden waren. Wie die Autoren in ihrem Vorwort festhalten, stiess die Be- antwortung der Frage, ob und in welchem Ausmass Vermögenswerte von Opfern der nationalsozialisti- schen Herrschaft über Liechtenstein in Sicherheit gebracht oder geraubte Vermögenswerte im Besitz von NS-Tätern vor der Konfiskation durch die Alli- ierten verschoben oder versteckt wurden, auf meh- rere, teilweise kaum zu überwindende Hindernis- se.3 Neben der soeben dargelegten lückenhaften Überlieferung kommt die grundsätzliche Schwierig- keit einer empirischen Verifizierbarkeit von Vorgän- gen hinzu, die aufgrund ihrer strafrechtlichen Im- plikation von Beginn an einen klandestinen Grund- charakter aufwiesen. Die Vermögensflucht sowohl der Verfolgten als auch ihrer Verfolger durfte keine papierenen Spuren hinterlassen. Die Natur dieser grundsätzlich verbotenen Geschäfte erforderte es, bereits zu Beginn der Operation möglichst kein Ak- tenmaterial zu generieren. Zum Aufbau des Studienbands: Die sehr ausführ- liche Abhandlung ist übersichtlich aufgebaut und gut strukturiert. Der erste Teil untersucht die Ge- schäfte jenes Personenkreises, welcher der Gruppe der Opfer zuzuordnen ist. Der zweite Teil befasst sich mit den Finanzoperationen der Täter und Nutz- niesser des Dritten Reichs. Bei letzterem handelt es sich primär um eine Überprüfung der von alliierter Behördenseite erhobenen Vorwürfe, Liechtenstein habe deutschen Firmen und Privatpersonen gehol-fen, 
ihre grösstenteils geraubten Vermögenswerte vor dem alliierten Zugriff zu schützen. Diese Zwei- teilung des Untersuchungsfeldes in Opfer- und Tä- tervermögen ist besonders raffiniert. Indem die Stu- die das System des liechtensteinischen Bank- und Gesellschaftswesens und seine Dienstbarkeit ge- genüber beiden Klientengruppen aufzeichnet, schafft sie die Voraussetzung für einen Vergleich. Der ab- schliessende Teil untersucht die Nachkriegsregelun- gen dieser in verschiedener Hinsicht umstrittenen Finanzdienstleistungen der Kriegsjahre. Verschiedene von der schweizerischen Untersu- chungskommission aufgegriffene Fälle weisen eine Verbindung zum liechtensteinischen Finanzplatz auf. Ihr Aktenzugang und ihre Recherchen reichten jedoch nicht über die schweizerische Landesgrenze hinaus. Die Autoren Lussy und Lopez nehmen diese von der UEK bereits verfolgten, jedoch nicht zu Ende geführten liechtensteinischen Spuren auf. In diesem Sinne ist ihre Studie als «Ergänzung»4 zu den beiden Forschungsberichten der schweizeri- schen Untersuchungskommission über die nach- richtenlosen Vermögen5 und über die verdeckten Vermögensoperationen von Exponenten der deut- schen Wirtschaft und des nationalsozialistischen Unrechtsregimes6 zu verstehen. 1) Judith Raupp: «Vorwürfe gegen Liechtensteins Fürstenhaus». In: Süddeutsche Zeitung. 14. April 2005, S. 8. 2) Beat Balzli: Treuhänder des Reichs. Die Schweiz und die Vermö- gen der Naziopfer. Eine Spurensuche. Zürich, 1997. 3) Hanspoter Lussy, Rodrigo Lopez: Liechtensteinische Finanzbezie- hungen zur Zeit des Nationalsozialismus. (Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Welt- krieg, Band 3.) Vaduz, Zürich, 2005. Teilband I, S. 29. 4) Ebenda, Teilband II, S. 723. 5) Barbara Bonhage et al.: Nachrichtenlose Vermögen bei Schweizer Banken. Depots. Konten und Safes von Opfern dos nationalsozialisti- schen Regimes und Restitutionsprobleme in der Nachkriegszeit (Veröffentlichungen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg, Band 15.) Zürich, 2001. 6) Christiane Uhlig et al: Tarnung, Transfer, Transit. Die Schweiz als Drehscheibe verdeckter deutscher Operationen (1939 bis 1952). (Veröffentlichungen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg, Band 9.) Zürich, 2001. 255
	        

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