Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

gungen sind zwei wesentliche Bedingungen wichtig, nämlich der Einbezug Liechtensteins in die deutsch- schweizerischen Wirtschaftsabkommen und die Standortvorteile gegenüber der Schweiz. Der Hauptteil der Untersuchung widmet sich in den Kapiteln 3 bis 5 der Darstellung der drei ausge- wählten Betriebe: Eine Gemeinsamkeit ist, dass alle drei Betriebe kurz nacheinander in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 - nach dem Überfall Deutsch- lands auf die Sowjetunion - gegründet wurden. Für jeden der drei Betriebe werden die besonderen Um- stände der Gründung, die Art der Güterproduktion, vor allem diejenige der Kriegsgüter, die Geschäfts- entwicklung, die Geschäftsbeziehungen usw. unter- sucht. Dabei ist bereits bei der Gründung ein wichti- ger Umstand zu beachten: zwei der Betriebe (Presta und PAV) waren von der Schweiz aus gegründet worden, die Hilti Maschinenbau OHG hingegen hat- ten die zwei Liechtensteiner Unternehmer Eugen und Martin Hilti gegründet. Dies hatte auch ver- schiedene Aussenbeziehungen der Betriebe zur Fol- ge. Die schweizerischen Betriebe hatten ihre Bezie- hungen zu schweizerischen Unternehmern (die Presta zu der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co., die PAV zu den Gebrüdern Mägerle), während die Hilti Maschinenbau OHG ein eigenes Geschäftsnetz nach Deutschland aufbauen musste. Es gab mehrere Motive für die schweizerischen Betriebsgründungen in Liechtenstein: Liechtenstein war dem schweizerischen Wirtschaftsraum ange- gliedert, es profitierte somit von den Clearingskredi- ten, welche die Schweiz Deutschland gewährte. Standortvorteile für schweizerische Betriebe in Liechtenstein waren die gewährten Steuerpauscha- len. Ferner kannte Liechtenstein keine Kriegsge- winnsteuer, hatte aber das Steuer- und Bankge- heimnis. Dazu kam, dass der Arbeitsmarkt in Liech- tenstein Vorteile bot, da ein niedrigeres Lohnniveau als in der Schweiz bestand und die Lohnnebenkos- ten tiefer lagen. Zudem mussten die liechtensteini- schen Arbeiter keinen Militärdienst leisten. Ein wichtiger Aspekt der Untersuchung ist auch die Frage nach der Reaktion der Alliierten. Diese versuchten verschiedentlich Druck auszuüben. Die- se Druckversuche gingen von der Androhung von 
Sanktionen bis zur Aufnahme auf die britische «Schwarze Liste», auf welcher etwa die Presta und Namen von Personen, die mit ihr in Beziehung stan- den, verzeichnet waren. In Kapitel 6 wird die Frage der Beteiligung an Arisierungsmassnahmen und Zwangsarbeit unter- sucht. Die Erkenntnisse sind, dass die liechtenstei- nischen Betriebe keine Beteiligung an «Arisierungs- massnahmen» hatten und auch keine direkte Betei- ligung an Zwangsarbeitereinsätzen. Im 7. Kapitel werden Überlegungen zur Wirt- schafts- und Aussenwirtschaftspolitik der liechten- steinischen Regierung angestellt. Hier zeigte sich, dass die Regierung die Betriebsgründungen grund- sätzlich begrüsste und förderte. Sie setzte sich auch mit Nachdruck für deren Interessen ein. Dies galt vor allem für den Wirtschaftsminister Alois Vogt. Die Arbeit für die Rüstungsindustrie war wohl be- kannt. Dieser Umstand gab jedoch weder der Regie- rung noch dem Landtag Anlass zur Beunruhigung. Die Untersuchung nennt als wesentliche Faktoren des liechtensteinischen Regierungskurses die schwie- rigen wirtschaftlichen Verhältnisse, namentlich die Massenarbeitslosigkeit. Deshalb wurde der Schaf- fung von Arbeitsplätzen höchste Priorität zugemes- sen. Dazu kamen noch gesellschaftspolitische Argu- mente. Man hoffte, durch das Angebot von Arbeits- plätzen im Lande selbst die über 700 Grenzgänger und Grenzgängerinnen nach Vorarlberg besser der NS-Ideologie entziehen zu können. Eine weitere Frage stellte sich in Bezug auf die aussenpolitische Bedeutung der Haltung Liechten- steins. Diese war dadurch bestimmt, dass die Schweiz aufgrund des Zollanschlussvertrages die aussenwirt- schaftlichen Beziehungen Liechtensteins zu Deutsch- land wahrnahm. Gleichzeitig richtete die liechten- steinische Regierung ihre Politik darauf aus, eigene Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland aufzubau- en. Vor allem Wirtschaftsminister Alois Vogt verfolg- te eine Einbindung Liechtensteins in den NS-Wirt- schaftsraum. Die Frage, ob Liechtenstein die bei Kriegsaus- bruch erklärte Neutralität verletzt habe, war eben- falls Untersuchungsgegenstand. Das Autorenteam kommt zur Auffassung, dass die liechtensteinische 252
	        

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