Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

REZENSIONEN / FRAGEN ZU LIECHTENSTEIN IN DER NS-ZEIT UND IM ZWEITEN WELTKRIEG Vaschem, Jerusalem), Professor Dan Michman (Bar- Ilan-Universität, Ramat-Gan, und Yad Vaschem, Je- rusalem), Professor Carlo Moos (Universität Zürich) und Professorin Erika Weinzierl (Universität Wien). Im Auftrag der Flistorikerkommission waren sieben wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Untersuchungen beschäftigt: zur Flüchtlingspo- litik Ursina Jud (Fribourg), zu Vermögenswerten Hanspeter Lussy (Zürich) und Rodrigo Lopez (Lau- sanne), zu Versicherungen Stefan Karlen (Zumikon ZH) sowie zur Industrieproduktion für Deutschland Christian Ruch (Zürich) und Veronika Marxer (Schaan). Weitere fünf Personen führten gezielte Ar- chivrecherchen und Personenbefragungen auch an entfernten Standorten durch, so in den National Ar- chives in Washington und London sowie in Yad Va- schem in Jerusalem und in anderen israelischen Ar- chiven. Die Revisionsgesellschaft Ernst&Young wur- de speziell mit der Abklärung der Frage allfälliger nachrichtenloser Konten oder Vermögenswerte von NS-Opfern betraut. Der Historikerkommission leisteten zudem zwei weitere von der Regierung bestellte Gremien, ein «Beratungs- und Koordinierungsauschuss» unter dem Vorsitz von Altregierungschef Hans Brunhart und ein «Gremium der inländischen Institutionen und Organisationen», wertvolle Hilfestellung bezüg- lich Koordination, Kommunikation und Kontakt- nahmen im In- und Ausland. AUSLÖSENDE ELEMENTE FÜR DIE UNTER- SUCHUNGEN Seit Mitte der 1990er Jahre haben viele Länder Ex- pertenkommissionen eingesetzt und mit der Klä- rung offener Fragen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs beauftragt. Die Wende in Osteuropa 1989 und die Öffnung der dortigen Archive, sowie neue Erkennt- nisse der Zeitgeschichtsforschung und darauf basie- rende Medienberichte hatten zu einem empfindsa- meren allgemeinen Bewusstsein für geschichtliche Verantwortung geführt. Dies und vor allem politi- scher und wirtschaftlicher Druck aus den USA und seitens jüdischer Organisationen veranlassten eu-ropäische 
Staaten, historische Rechenschaft abzule- gen, Gerechtigkeit soweit möglich wiederherzustel- len und Opfer der NS-Verfolgung zu entschädigen. Im Inland und Ausland wurden in dieser Zeit ver- mehrt auch Fragen zur Rolle Liechtensteins im Zweiten Weltkrieg gestellt, begünstigt durch gleich- zeitige Geldwäscherei- und Steuerfluchtvorwürfe. Eigentlicher Auslöser für die Einsetzung einer un- abhängigen Expertenkommission in Liechtenstein war ein im deutschen Magazin «Der Spiegel» am 24. Juli 2000 veröffentlichtes Interview mit Elan Stein- berg vom Generalsekretariat des World Jewish Con- gress (WJC). Darin wurde ausgeführt, «Finanzinsti- tute aus Liechtenstein» hätten «gemeinsam mit den Nazis» geraubte jüdische Besitztümer versteckt. Es handle sich dabei um «Geld, Gold und gestohlene Kunst». Der WJC besitze «eindeutige Dokumente» aus dem Nationalarchiv in Washington, und im Sep- tember 2000 werde man «die Beweise der Regie- rung präsentieren». Man verlange Kompensation; Liechtenstein sei nicht in den Vergleich mit den Schweizer Banken eingeschlossen; wenn die Regie- rung nicht reagiere, würden «rechtliche Schritte» eingeleitet; als letztes Mittel könnten «Sanktionen gegen den Finanzplatz Liechtenstein» nötig werden. Die Regierung handelte unverzüglich. Nach Kon- taktnahme mit dem WJC und entsprechenden Vor- abklärungen setzte sie am 22. Mai 2001 die «Unab- hängige Historikerkommission Liechtenstein Zwei- ter Weltkrieg» (UHK) ein. UNTERSUCHUNGSREREICHE UND FRAGEN DES MANDATS Das umfangreiche Mandat der Historikerkommissi- on orientierte sich stark an dem von der Schweiz ge- wählten Vorgehen («Volcker-Komitee»; «Bergier- Kommission») und gewährleistete die völlige Unab- hängigkeit der Untersuchungen. Die Kommission hatte die aktuell aufgeworfenen spezifischen Fragen und Vorstösse zur Rolle Liechtensteins im Zweiten Weltkrieg wissenschaftlich abzuklären. Fragen zu Finanzbeziehungen, Vermögenswerten und «Ari- sierung», zur liechtensteinischen Flüchtlingspolitik, 243
	        

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