Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

NATIONALE IDENTITÄT WILFRIED MARXER steiner/Liechtensteinerin zu fühlen, sowie liechten- steinische Vorfahren zu haben. Insgesamt erachten die folgenden Gruppenseg- mente diese Aspekte als eher wichtig für eine liech- tensteinische Identität: Alte, weniger Gebildete, Autoritärere, liechtensteinische Staatsangehörige, Personen mit liechtensteinischen Eltern und liech- tensteinischem Dialekt als Hauptsprache, sowie An- hänger der beiden grossen Volksparteien (Tabel- le 23). Die Dimension der Internationalität bzw. der iso- lationistischen Haltung der Befragten wurde mit Fragen erfasst, die sich auf den Import von Produk- ten beziehen, den Stellenwert internationaler Rege- lungen, die Verfolgung nationaler Interessen, den Bodenkauf von Ausländern, die Konkurrenz inter- nationaler Firmen für das lokale Gewerbe, den frei- en Handel, die Akzeptanz internationaler Beschlüs- se, die Macht internationaler Organisationen, den kulturellen Einflüss ausländischer Medien, sowie den Vorteil des Internet. In der Zusammenschau aller Antworten zeigt sich, dass die folgenden Gruppensegmente eher in- ternationalistisch orientiert sind: Männer, besser Gebildete, Flexible, Anhänger der Freien Liste. Ins- gesamt zeigt sich die liechtensteinische Gesellschaft eher internationalistisch als isolationistisch (Tabel- le 24). Die Dimension der kulturellen Offenheit wurde mit drei Fragen erfasst. Und zwar wurde gefragt, ob man die liechtensteinischen Sitten und Gebräuche kennen müsse, um wirklich Liechtensteiner zu sein, ob der Staat nationalen Minderheiten helfen sollte, damit sie ihre Sitten und Gebräuche bewahren kön- nen, und ob Personen, die legal nach Liechtenstein gekommen sind, die gleichen Rechte haben sollten wie liechtensteinische Staatsangehörige. Als besonders offen haben sich dabei die folgen- den Untergruppen herausgestellt: Jüngere, Flexible, Ausländer, Personen mit ausländischen Eltern, Fremdsprachige, Anhänger der Freien Liste (Tabel- le 25). Schliesslich manifestieren sich noch bei der Ein- stellung zur Zuwanderung signifikante Gruppenun- terschiede. Diese Dimension wurde mit fünf Fragen 
erfasst, nämlich ob die Zuwanderer einen Einflüss auf die Kriminalitätsrate hätten, ob sie gut für die Wirtschaft seien, ob sie den Einheimischen Arbeits- plätze wegnähmen, ob sie Liechtenstein offen für neue Ideen und andere Kulturen machten und ob der Staat zu viel Geld für die Unterstützung der Zu- wanderer ausgebe. Eine überdurchschnittlich positive Haltung ge- genüber Migranten wird in den folgenden Gruppen- segmenten eingenommen: Höher Gebildete, Fle- xible, Ausländer, Deutschsprachige (ohne Liechten- steiner Dialekt), Anhänger der Freien Liste (Ta- belle 26). Alle Kreuztabellenanalysen zeigen ein mehr oder weniger einheitliches und plausibles Bild von den Gruppenunterschieden der Einwohnerinnen und Einwohner Liechtensteins. Vereinfacht kann zwei- erlei festgestellt werden. Erstes gibt es vor allem Un- terschiede in der Betonung und Charakterisierung einer eigenen Identität, sowie - komplementär - in der Abschottung gegen aussen bzw. der Geschlos- senheit der Gesellschaft. Noch weiter zugespitzt kann man diesbezüglich das Konzept einer Identität als «liechtensteinisches Volk» dem Konzept einer Identität als «offene Gesellschaft» gegenüberstellen. Zweitens kann festgehalten werden, dass sich die Einstellungsunterschiede in der Identitätsfrage re- lativ einheitlich präsentieren, indem Autoritärere, Ältere, weniger Gebildete, Anhänger der grossen Volksparteien fast durchgehend Unterschiede zum jeweiligen Gegenpol aufweisen, und zwar in einheit- licher Richtung. Die erwähnten Gruppen pflegen ex- klusivere Vorstellungen von einer liechtensteini- schen Identität, haben weniger internationalisti- sche Tendenzen, weisen weniger kulturelle Offen- heit und mehr Vorbehalte gegenüber Migranten auf. 227
	        

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