Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

SOUVERTAN ODER UNTERÄN? STEFAN SPRENGER Das kann für die dualistischen Binnenkämpfe, die die liechtensteinische Innenpolitik in den letz- ten fünfzehn Jahren geprägt haben und wohl wei- ter prägen werden, nicht unwichtig sein: Das <Grundkapital> der Souveränität befindet sich in bürgerlicher Hand. Was bin ich nun als Liechtensteiner Bürger 2006 in einem Land mit den beiden Souveränen Volk und Fürst? Immerhin zur Hälfte souverän. Da geht also diese souveräne Hälfte spazieren, wählt den Landtag und zahlt Steuern. Das geht alles gut, nur, was und wo ist meine andere Hälfte? Der Fürst hat hier kein Problem: Mit der einen Hälfte ist er Fürst, mit der anderen Bürger. Aber sind wir, die Bürger, mit unserer anderen, noch un- bestimmten Hälfte Fürsten? Nein, sind wir nicht. Dennoch gehört diese Hälfte in die Sphäre der Monarchie: Wir sind also Untertan. Die eine Hälfte Souverän, die andere Untertan. Das macht aus mir einen Souvertanen. Oder Un- teränen. Nett, hier die Wahl zu haben. 
schichtlichen Moments, den es eigentlich gar nicht gegeben hat. 5) Seidelmann, S. 449. 6) Ebenda. 7) Geiger, Anschlussgefahren. S. 53. 200 JAHRE, DER 12. JULI 1806 UND SOUVERÄNITÄT Mir ist bewusst, dass dieses lückenhafte und durch- aus voreingenommene Räsonnement über den Ti- tel der diesjährigen Feier das Meiste und Zukunfts- trächtige der liechtensteinischen Souveränität über- geht. Verblüfft stelle ich aber fest, dass bereits im Werden der liechtensteinischen Souveränität die Träume und Alpträume des jetzigen Fürstentums verknäuelt liegen - das Wunderliche dieses Landes, das Peter Geiger einmal als «merkwürdiges, der Ge- schichte entwachsenes, ja entronnenes Naturspiel» benannte;7 der Modellstaat; die plötzliche Massen- verlagerung im Dualismus und der zeitlupenhafte Aufbau eines Gegengewichts -, und es scheint als bezögen sich viele grossen Ereignisse der liechten- steinischen Innenpolitik der letzten zweihundert Jahre auf diesen einen Julitag eines vorvergange- nen Jahrhunderts, als seien sie nichts als Revisio- nen oder Revisionen der Revisionen jenes ge-193
	        

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