Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2006) (105)

strument der Reichsacht, gegen Reichsfürsten und Reichsgrafen zählen. Betroffen war binnen dreier Jahrhunderte fast die gesamte reichsfürstliche Elite von den Kurfürstentümern Pfalz (1504/05, 1618- 1623, 1728, 1771), Sachsen (1546-1547), Köln (1583-1585, 1704-1705), Bayern (1704-1705) und Brandenburg (1713, 1756-1763) über die Herzog- tümerwürttemberg (1519, 1546-1547, 1634-1635), Braunschweig-Celle (1519-1523), Sachsen-Weimar (1567), Mantua (1708) und Mecklenburg-Schwe- rin (1728) bis zur Landgrafschaft Hessen-Kassel (1546-1547, 1623-1627, 1635-1637, 1716-1718, 1787) oder der Markgrafschaft Brandenburg-Kulm- bach (1554).14 Reichsexekutionen kamen zunächst vor allem in Landfriedenbruchs-, Rebellions- und Hochverratsfällen zur Anwendung. Nach 1648 tra- ten diese Fallgruppen zurück, und es begannen Ty- rannenprozesse wegen Missbrauchs der herrschaft- lichen Gewalt zu überwiegen. Militärisch siegreich ist seit dem 16. Jahrhundert kein Reichsrebell mehr gewesen. 6. Auf dem Wege der dynastischen Verklamme- rung von Landesfürstentümern (regionale Herr- schaftsebene) wurde 
die territoriale Machtbasis des Kaiserhauses auf eine Grössenordnung ausge- baut, die über die Summe der Kurfürstentümer hinausging und von keiner fürstlichen Gewalt mehr ernsthaft konkurrenziert werden konnte. Im Um- feld von Vaduz-Schellenberg erwarben die Habs- burger ein Herrschaftskonglomerat, das von Bre- genz über Gutenberg bis nach Rhäzüns reichte. 7. Die siebte Säule lag in der Kreation einer ar- beitsfähigen Finanzverfassung, um das materielle Substrat zur Durchführung der neuen Gemein- schaftsaufgaben verfügbar zu machen. Vaduz- Schellenberg wurde mit ansteigenden Reichs- und Reichskreissteuern belastet. 8. Die achte Säule war 
die Integration der Herr- schaftsinhaber in ein abgestuftes System von über- lokalen Ständetagen und Gerichten. Entscheidend war 
die Institutionalisierung der Partizipation an den sich überordnenden Herrschaftsebenen. 9. Die neunte Säule war das vertikal-machtba- lancierende Subsidiaritätsprinzip. Es ermöglichte die Zentralisierung grundlegender Aufgaben auf 
überlokalen Herrschaftsebenen und garantierte zu- gleich die Autonomie der lokalen Herrschaften und Städte in allen internen Angelegenheiten. Als spezi- fisch reichsstaatsrechtlicher Begriff für die Autono- miesphären der reichsunmittelbaren nicht-souver- änen Herrschaftsträger bildete sich die Landesho- heit heraus. Dahinter verbarg sich weniger ein neues Rechtsmstitut als vielmehr ein Sammelbe- griff für die hergebrachten originären lokalen und angefügten delegationsstaatlichen Hoheitsrechte in ihrem nunmehr durch den überwölbenden Frie- densstaat redimensionierten Gehalt. 10. Das zehnte Kernelement ist in der nicht auf den Kaiser bezogenen, 
sondern systembezogenen inneren Souveränität zu sehen. Vaduz-Schellenberg wurde 1499 in seine letzte grosse Fehde hineingezogen. Diese unterstrich, dass das zeitweilig verfolgte Friedenskonzept der regionalen Selbstorganisation in Landfriedensbün- den ein hohes Eskalationsrisiko in sich barg, dass aus nichtigen Anlässen heraus grosse Einungen ge- geneinander zu Felde zogen. In der schweren Kon- frontation zwischen dem Schwäbischen Bund und der oberalemannischen Eidgenossenschaft von 1499 löste ein banaler Grenzkonflikt um Gerichts- und Umweltnutzungsrechte zwischen der Grafschaft Tirol und dem Fürstbistum Chur zweiseitige Ketten- reaktionen aus, die nach einem enormen Kriegsauf- wand und schwersten Verwüstungen zu nichts wei- ter führten, als den Ausgangsstreit einem bischöfli- chen Schiedsgericht zu überantworten.15 In den drei Jahrhunderten nach 1500 gehörte Liechtenstein ei- ner ausgesprochen friedlichen Reichsregion an, die vom Verfassungssystem des Ewigen Landfriedens vollauf profitierte. Im Heiligen Römischen Reich war seit dem Augsburger Reichsland- und Religionsfrieden von 1555, jedenfalls aber seit der Reichsexekution von 1567 wider den friedbrüchigen Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen-Weimar, tatsächlich «die innere Ruhe ... gegen landfriedensbrüchige Unter- nehmungen befestigt».16 Die europaweite Welle be- waffneter Fürsten- und Adelsrebelhonen der 1620er bis 1640er Jahre wider die sich verdichtende Reg- 14
	        

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